Parallelen zu Nordstream: Motivwagen zeigt beim Rosenmontagszug 1983 Gas-Trasse aus Russland

Seligenstädter Wagenbauer thematisierten am Rosenmontag 1983 das sogenannte Jahrhundertbauwerk Trasse, die Gasleitung aus Russland nach Deutschland. Parallelen zu Nordstream 2 sind unverkennbar.
Seligenstadt – Mindestens so brisant wie Nordstream 2, die derzeit höchst umstrittene Erdgasleitung von Russland direkt nach Deutschland, war in den 1970er und 1980er Jahren das sogenannte Jahrhundertbauwerk Trasse, das damals ebenfalls Gas aus dem hohen Norden Russlands nach Deutschland bringen sollte.
An dieser „größten Baustelle des 20. Jahrhunderts“ war neben dem Westen (Deutschland, USA), der Rohre und Technik lieferte und Kredite vergab, auch die damalige DDR beteiligt, die 25 000 junge Leute in Arbeitsgruppen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) zusammenfasste und als knochenharte „Arbeitsleistung“ ins Erdgasröhrengeschäft einbrachte. Während die DDR („Arbeitsleistung gegen Gas“) kein allzu großes Interesse daran hatte, ein Gesamtbild der Zusammenarbeit des Ostens mit den Kapitalistischen zu vermitteln, war diese Konstellation mit Blick auf die gesamtdeutsche Situation natürlich im Westen Tagesgespräch. Kein Wunder also, dass die Seligenstädter Wagenbauer am Rosenmontag 1983 die Gas-Trasse thematisierten.

Unter Leitung des Bauhofchefs Albert Kemmerer schufen die Wagenbauer damals einen gewaltigen städtischen Wagen, der neben der Gas-Pipeline auch zwei der Protagonisten darstellte: den russischen Bären als Symbol des Gaslieferanten und Onkel Sam, den Amerikaner, der zwar öffentlich als Kritiker auftrat, das lukrative Erdgas-Spiel aber gern mitspielte.
Wenn der Rosenmontagszug 2022 nicht ausfallen würde, hätten die Wagenbauer mit Nordstream 2 sicher auch ein reizvolles Thema für einen Motivwagen vorgefunden, die Parallelen zu den 1980er Jahren sind unverkennbar.
Beim damaligen Jahrhundertbauwerk, bis heute fester Bestandteil der westeuropäischen Energieversorgung, wurden von 1975 bis 1979 rund 2 750 Kilometer Rohre verlegt – 520 Kilometer durch die Ukraine übernahmen dabei die DDR-Trassniks. In den 1980ern verlegten DDR-Arbeiter weitere 1000 Trassenkilometer. Die für den Zeitraum 1982 bis 1993 der DDR zugeteilten drei Bauabschnitte der Erdgas-Trasse wurden von einer Vielzahl von DDR-Betrieben mit über 10 000 Arbeitern und einigen Studenten gebaut. Unter dem Titel „Jahrhundertbauwerk Trasse – Wie das russische Erdgas in den Westen kam“ ist in der ARD-Mediathek eine Dokumentation zu finden. (Michael Hofmann)