„Eine einzige Katastrophe“ - Rollstuhlfahrer treffen in Seligenstadt auf viele Hürden

Überall ohne fremde Hilfe hinzukommen, ist für Menschen mit Handicap in Seligenstadt oft schwierig. Rollstuhlfahrer stoßen nicht nur in der Altstadt auf Hürden.
Seligenstadt – An der Evangelischen Kirche ist sie noch in Planung, vor der Basilika laufen die Bauarbeiten bereits – an beiden Orten soll künftig eine Rampe den Zugang für Menschen mit Gehbehinderung oder anderen Handicaps ermöglichen (wir berichteten). An anderen Orten in der Einhardstadt stehen Menschen im Rollstuhl, oder auch Senioren mit Rollator, häufig noch vor Herausforderungen.
Als „einzige Katastrophe“ bezeichnen Carmen Zimmermann und ihr Mann Seligenstadt mit Blick auf die Barrierefreiheit. Das fange schon beim Kopfsteinpflaster an; an mehreren Stellen – unter anderem auf dem Marktplatz – sei Carmen Zimmermann bereits gestürzt, weil sich die kleinen Räder ihres Rollstuhls in den Rillen zwischen den Pflastersteinen verfingen.

Kopfsteinpflaster ist für Rollstuhlfahrer in Seligenstadt eine Herausforderung
Ein Problem, das sich in der Altstadt – historisch bedingt – kaum umgehen lässt. Nahezu überall sind sowohl Straßen als auch Gehwege mit Kopfsteinpflaster geebnet. „Ich gucke eigentlich immer auf den Boden“, sagt Carmen Zimmermann, die sich die abgesenkten Bordsteine und möglichen Wege durch die Stadt schon eingeprägt hat. Seit einem Rollerunfall vor 25 Jahren ist sie querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen.
Was Barrierefreiheit für sie bedeutet? „Ich möchte in Geschäfte reinkommen, die Theke und die Mitarbeiter auch von innen sehen. Ich möchte ins Kino gehen können und in Restaurants.“ Letzteres sei vor allem im Winter kaum möglich, sagt Carmen Zimmermann. „Ich freue mich immer, wenn die Biergärten wieder öffnen.“

Seligenstädterin: „Als Rollstuhlfahrer muss man auf der Straße fahren“
Auf dem Weg durch die Einhardstadt werden die Hindernisse für Rollstuhlfahrer wie Carmen Zimmermann schnell deutlich. Die Gehwege nutze sie selten, so die 56-Jährige. „Als Rollstuhlfahrer muss man auf der Straße fahren“, sagt sie und zeigt auf einen der Gründe dafür – Treppenstufen, die zum Beispiel auf der Aschaffenburger Straße vor mehreren Hauseingängen auf den Gehweg ragen. Für den Rollstuhl ist dort kein Platz mehr.
„Die Gehwege sind aber grundsätzlich zu schmal, auch in Neubaugebieten“, erklärt Zimmermann, während sie unterwegs durch die asphaltierte Mauergasse ist – ihre Lieblingsstraße, ganz ohne „Geruckel“. Doch auch dort zeigen sich die nächsten Probleme. Sobald parkende Autos den Gehweg blockieren, heißt es für Zimmermann wieder: ab auf die Fahrbahn. Und dann ist der Gehweg irgendwann ganz weg. „Es wäre toll, wenn man hier auf einer Seite einen durchgängigen Gehweg hätte“, sagt Johanna Wurzel, Vorsitzende des Förderkreises Lichtblick, kurz vor der Frankfurter Straße.
Möglichkeiten in Seligenstädter Altstadt beschränkt
Dass die Möglichkeiten gerade in der historischen Altstadt beschränkt sind, ist Carmen Zimmermann und Johanna Wurzel klar. „Wir kämpfen schon seit Jahren für einen Ausgang vom Klostercafé auf die Terrasse“, sagt Wurzel. Einen Erfolg gab es dagegen nun an anderer Stelle auf dem Klostergelände, wo die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen gemeinsam mit der Stadt Seligenstadt im vergangenen Jahr einen barrierefreien Weg vom Eingang Aschaffenburger Straße bis zur Stadtbücherei geschaffen haben. „Auch für diesen Weg haben wir jahrelang gekämpft“, sagt Wurzel.

Über die kommende Rampe vor der Basilika habe sie sich sehr gefreut, erzählt Carmen Zimmermann. Und auch an einigen anderen Orten inner- und außerhalb der Altstadt wird ihr der Weg erleichtert. So haben manche Geschäfte Rampen vor ihre Eingänge gebaut, schon vor einigen Jahren hat die Stadt ihr Seniorenbüro in einen barrierefreien Raum mit eigener Eingangstür neben dem historischen Arkaden-Gang des Rathauses gelegt – Menschen mit Handicap können dort auch andere Rathaus-Angelegenheiten erledigen; in die Sparkassen-Filiale an der Frankfurter Straße gelangt man statt über eine steile Rampe mit einem Hublift.
Seligenstädter Unterführung ist für Rollstuhlfahrer zu steil
Ein Dorn im Auge ist Zimmermann und Wurzel hingegen die Unterführung an der Konrad-Adenauer-Schule in der Kapellenstraße. „Die Rampen dort sind viel zu steil“, sagt Carmen Zimmermann. Einen sicheren Weg über die Straße gibt es – sowohl für Rollstuhlfahrer und Senioren, als auch für die Schüler – nicht.

Wie die Stadt Seligenstadt auf Anfrage erklärt, soll im Zuge der Baumaßnahmen um den Jahnsportplatz und dem Umbau der Bushaltestellen an der Schule auch ein Zebrastreifen über die stark frequentierte Straße entstehen. Bis es soweit ist, dürfte es allerdings noch einige Zeit dauern. Eine andere Lösung sei aktuell nicht geplant. (Von Laura Oehl)