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Schöner die Glocken nie klangen: Spieluhr im Rathaus repariert

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Von: Julia Oppenländer

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Glockenklänge vom Rathausturm erfreuen Seligenstädter und Besucher gleichermaßen.
Glockenklänge vom Rathausturm erfreuen Seligenstädter und Besucher gleichermaßen. © Jäger

Fast ein Jahr mussten sich Fans des Glockenspiels am Rathaus in Seligenstadt in Geduld üben. Doch seit einer Woche erklingt die Spieluhr nun wieder - frisch repariert vom Sohn des Erbauers. Doch es kam bereits zu Startschwierigkeiten. Auf lange Sicht sei deshalb weiterhin die Digitalisierung geplant.

Seligenstadt – Mehrere Monate herrschte Stille rund um den Marktplatz von Seligenstadt. Die Rathausspieluhr hatte nach vielen Jahren des Durcharbeitens vor rund einem Jahr ihren Dienst eingestellt. Seit vergangenem Dienstag nun ertönen stündlich wieder klangvolle Melodien vom Rathausturm der Einhardstadt. Allerdings gab es ein paar Startschwierigkeiten – schon am Mittwoch kehrte nämlich für knapp 24 Stunden wieder Stille ein. „Die Spieluhr hat ihren Dienst leider erneut eingestellt“, hieß es an jenem Nachmittag aus dem Rathaus. Man arbeite an einer Lösung. Am Donnerstag funktionierte wieder alles.

Hinter der Spieluhr lag zuletzt eine kleine Odyssee, nachdem sie im vergangenen Mai nach rund sechs Jahrzehnten kaputt gegangen war (wir berichteten). Zahlreichen Bürgern fiel die plötzliche Stille auf, vor allem zur Adventszeit. „Wir kennen die suchenden Blicke, wenn Musik den Marktplatz beschallte“, sagte Bürgermeister Daniell Bastian damals. „Alle erwarteten, ein Glockenspiel oder Ähnliches am Rathausturm zu entdecken. Fündig wurden sie nie, denn es handelte sich um ein kleines, unscheinbares Glockenspiel im Innern.“

Spieluhr des Rathauses in Seligenstadt ist ein Unikat

Das Unikat im Rathaus hatte der Uhrenmachermeister Albert Burghardt handgefertigt. Seit dem Jahr 1960 lief die Spieluhr praktisch wartungsfrei. Nach Quittieren des Dienstes sollte sie eigentlich bei einer Firma in Belgien, die sich auf die Digitalisierung von Originalwalzen spezialisiert hat, digitalisiert werden. Die Arbeiten waren bereits im Gange, doch dann meldete sich im vergangenen Dezember der Uhrmacher Ulrich Burghardt bei der Stadt, Sohn des im Jahr 2012 verstorbenen Albert Burghardts. Er nahm sich der Reparatur des Kleinods ehrenamtlich an. Innerhalb von zwei Monaten zerlegte er das Uhrwerk, reinigte und überholte es und reparierte den defekten Schlaghammer. Er war es auch, den die Stadt am vergangenen Mittwoch nochmals einbestellte. Der Uhrmacher konnte den defekten Trafo wieder in Gang setzen. „Zur Sicherheit wurde ein neuer Trafo nachbestellt“, hieß es aus dem Rathaus.

Kompliziertes Innenleben der Spieluhr
Kompliziertes Innenleben der Spieluhr © Stadt Seligenstadt

Eine Digitalisierung ist zudem langfristig noch angedacht – diese wurde bereits im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben, pausierte aber aufgrund des spontanen Einsatzes von Ulrich Burghardt.

Seit rund einer Woche erfreuen sich Seligenstädter sowie Besucher der Stadt wieder an den stündlich erklingenden Melodien – teilweise sind sie sogar auf der bayerischen Mainseite noch gut zu hören. „Ich bin sehr froh darüber, dass wir die Spieluhr dank der tatkräftigen Unterstützung von Herrn Burghardt wieder aktivieren konnten, denn Ersatzteile sind leider nicht mehr zu bekommen“, sagte Bürgermeister Daniell Bastian. „Der Klangteppich aus Melodie, Westminsterschlag und Glockengeläut ist aus der Einhardstadt nicht wegzudenken und verleiht unserem historischen Stadtzentrum eine besondere musikalische Note.“

Kasten mit der Spieluhr hängt im Rathaus Seligenstadt vor dem Büro des Stadtmarketings

Der 76 Zentimeter breite, 46 Zentimeter hohe und 17 Zentimeter tiefe verglaste Kasten mit sechs innenliegenden Walzen hängt im Rathaus vor dem Büro des Stadtmarketings. Sollte die Spieluhr digitalisiert werden, ist das Unikat wohl nur noch Schmuckstück. Dann sind die „Melodien-Informationen“ auf einem Stick – das Abspielen erfolgt mit einem PC.

Von 8 bis 21 Uhr ertönt normalerweise stündlich eine Melodie, gefolgt von der Glocke hoch oben im Turm, die akustisch die Uhrzeit erkennen lässt, um wieder an die Spieluhr abzugeben, deren kleine goldene Hämmerchen nun die Westminster-Melodie erklingen lassen. In der Adventszeit erklingen Weihnachtslieder wie „O du fröhliche“, ansonsten auch Schlager wie „La Paloma“ oder Operettenweisen. Und so funktioniert’s: Sechs mit Strom angetriebene Walzen sind mit je zwei Liedern belegt. Wenn sich die Walze bewegt, bringen auf der Außenseite angebrachte Stifte die Zähne des daneben angeordneten Miniaturkamms in Schwingung und erzeugen damit Melodien. Über jedem Kamm angeordnete Mikrofone nehmen die Töne auf. Diese werden über einen Verstärker zu Lautsprechern im Turm geleitet. Ähnlich verhält es sich mit dem Westminsterschlag. (Von Julia Oppenländer)

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