Betrunkener prügelt 71-jährigen Seligenstädter fast tot: Gericht verurteilt ihn zu einer Haftstrafe

Ein 71-jähriger Seligenstädter, der von einem Betrunkenen zusammengeschlagen wurde, erlitt dauerhafte Schäden. Das Gericht in Offenbach sprach jetzt ein Urteil.
Seligenstadt – Besoffen schlug ein 30-Jähriger einen 71-Jährigen in Seligenstadt so schwer zusammen, dass der Mann dauerhafte Schäden davontrug. Das Schöffengericht in Offenbach verurteilte den Täter am Montag (27. Juni) zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, die er in einer geschlossenen Entziehungsanstalt verbringen soll.
Staatsanwältin Sylvia Erdelt spricht von zwei Kopffrakturen und einem schweren Schädelhirntrauma. Am 30. August letzten Jahres stellte die Polizei den Täter kurz nach dem Vorfall. Der Mann habe versucht, die Beamten zu treten und zu beißen, sie bespuckt und als Nazis, Schlampen und Hurensöhne beschimpft. Nach Aussage eines Polizisten fabulierte der Angeklagte außerdem, er halte sich wegen einer Internetverabredung zum Geschlechtsverkehr in der Gegend um den Bauhof auf.
Angeklagter verprügelte 71-jährigen Mann in Seligenstadt: Dieser hat schwere Folgeschäden
Der Angeklagte lässt aus dem Italienischen übersetzen, er habe bis zu seinem fünften Lebensjahr im Waisenhaus in St. Petersburg gelebt, bis ihn ein italienisches Ehepaar adoptierte. Als Zwölfjähriger habe er angefangen Alkohol zu trinken. Später seien Cannabis, Amphetamin und Kokain hinzugekommen. Nach drei Jahren habe er die Mittelschule abgebrochen und sich seitdem mit Jobs in der Gastronomie über Wasser gehalten, ein unstetes Leben geführt. Ab 2017 habe er über Facebook-Kontaktsuche in Bayern, seit 2019 im Rhein-Main-Gebiet in Küchen gearbeitet. Zuletzt eine Woche in Seligenstadt, gekoppelt an einen Schlafplatz.
Am 30. August habe er ab 10 Uhr Bier, Rum und Wodka getrunken, „ob ich Drogen genommen habe, das weiß ich nicht mehr“. Neben 2,35 Promille Alkohol fanden sich geringe Spuren von Cannabis- und Amphetamin im Blut.
Es kam vor kurze zu einem weiteren Zwischenfall. Ein Mann soll eine Frau in Seligenstadt getreten haben, woraufhin die Polizei nach ihr suchte.
30-Jähriger schlug auf Opfer in Seligenstadt ein: Gericht fällt Urteil
Gegen 17.20 Uhr kam es unweit des Bauhofs zur Begegnung mit dem Seligenstädter. Der Täter, der lediglich eine Bagatell-Vorstrafe hat, erzählt, er habe sich dem Geschädigten in den Weg gestellt, der habe ihn deshalb beleidigt und in den Bauch geboxt. Er könne nicht sagen, wie oft er daraufhin selbst zugeschlagen habe, „zwischen vier- und zehnmal“. Eigentlich sei er ein Mensch, der Gewalt ablehne.
Die 66-jährige Ehefrau des Opfers sagt ohne Zorn aus. Ihrem Mann gehe es mittlerweile besser. Er könne wieder laufen, aber nie mehr wie früher leben, „er kümmerte sich ehrenamtlich um die Verwaltung in der Kirchengemeinde. Das geht nun so wenig wie Autofahren“. An die Tat könne sich ihr Mann nicht erinnern, er leide aber unter Ängsten, „er träumt oft, zusammengeschlagen zu werden“. Die Ehefrau betont ruhig und sachlich, es sei undenkbar, dass ihr Mann den Täter beleidigt, geschweige denn geschlagen habe. „Mit seinem Charakter lässt sich das nicht vereinbaren“. Der Geschädigte lässt sich in Abwesenheit von Rechtsanwältin Annette Vester-Weber in der Nebenklage vertreten.
Betrunkener prügelte 71-Jährigen aus Seligenstadt fast tot: Zu dreieinhalb Jahre Haft verurteilt
Verteidiger Mario Galvano bemerkt, in den Akten stünde, „der Sohn des Opfers hält es für möglich, dass sein Vater den Angeklagten belehrte“. Aus Sicht seines betrunkenen Mandanten habe es also einen Anlass gegeben, „auch wenn der nichtig war“.
Rechtsmedizinerin Dr. Sarah Kölzer erklärt, der Geschädigte, der ein halbes Jahr stationär behandelt werden musste, hätte sterben können. Der psychiatrische Gutachter Dr. Thomas Holzmann sieht durch das Zusammenspiel von Alkohol und Drogen eine verminderte Schuldfähigkeit. Er rät nicht zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, weil er die Gefahr einer Tatwiederholung für gering erachte, „es war das erste Mal“.
71-jähriges Opfer aus Seligenstadt erleidet Folgeschäden: Angreifer verurteilt
Staatsanwältin Erdelt plädiert auf 33 Monate Gefängnis. Der Geschädigte könne nie wieder so leben wie zuvor. Allerdings sehe sie die Tat als singulär, „so was dürfte sich nicht wiederholen“. Anwalt Galvano stellt keinen konkreten Antrag, will „nur unter dem der Staatsanwaltschaft“ bleiben. Sein Mandant sei schockiert gewesen, als er von den Folgen seiner Tat erfuhr. Einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werde er sich nicht verschließen. Der Angeklagte erklärt, sich erst wieder erinnern zu können, als er ausgenüchtert in der Zelle erwacht sei. Richter Manfred Beck und die Schöffen verhängen wegen gefährlicher Körperverletzung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit dreieinhalb Jahre Gefängnis samt Unterbringung in der geschlossenen Entziehungsanstalt. Der Vorsitzende konstatiert, „Sie haben sich nie mit ihrem Suchtproblem auseinandergesetzt“.
Der Angeklagte habe dermaßen von Sinnen auf sein wehrloses Opfer eingeschlagen, „dass wir die Gefahr sehen, dass sich so etwas wiederholt, wenn Sie nach zwei Drittel der Haftstrafe ohne Therapie auf freien Fuß kommen“. (Stefan Mangold)