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Werk mit trauriger Aktualität: Französischer Comic-Autor Jaques Tardi erhält Einhard-Preis

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Von: Markus Terharn

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Rund um Jacques Tardi: Aloys Lenz, Professor Dr. Christian Neubauer und Dr. Axel-Johannes Korb von der Einhard-Stiftung
Rund um Jacques Tardi: Aloys Lenz, Professor Dr. Christian Neubauer und Dr. Axel-Johannes Korb von der Einhard-Stiftung © Hampe

Erinnerungen an Krieg und Gefangenschaft: Der französische Comic-Zeichner hat in Seligenstadt den Einhard-Preis der Einhard-Stiftung für sein biografisches Werk über seinen Vater erhalten.

Seligenstadt – Das stand nicht im Programm: Am Ende der trotz Pandemie feierlichen, würdevollen Überreichung des Seligenstädter Einhard-Preises 2021 an Jacques Tardi verkündete dessen Frau Dominique Grange, dass er die gesamte Summe an SOS Méditerranée spendet. So gehen 10 000 Euro an die deutsch-französische Organisation zur Seenotrettung im Mittelmeer. Und wohl jeder der 150 Gäste im Riesen stimmte zu: Tardis Vater René wäre damit einverstanden gewesen!

Dessen Schicksal erzählt der 75-jährige Franzose in den drei Bänden des Comics „Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B“. Geehrt werden sollte er dafür bereits vor einem Jahr. Doch gerade wegen der coronabedingten Verschiebung gewann sein Werk traurige Aktualität. So begann der Festakt mit einer Gedenkminute für die Opfer des Kriegs in der Ukraine, der auch alle Reden durchzog.

Der Krieg ist für Laudator Andreas Platthaus, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das, was beides verbindet, Einhards Lebensbeschreibung Karls des Großen mit Tardis Biografie seines Vaters: hier der Kriegskaiser, dort das Kriegsopfer. Nur sei Einhards Text ein Fürstenspiegel, Tardis Buch ein Bürgerspiegel. „Große Historiografie aus der Untersicht“ nannte Platthaus das und erfand für den Urheber die Berufsbezeichnung Biografiker.

Auf die Leinwand geworfene Bilder untermalten sein inhaltlich kluges wie verbal geschliffenes Loblied und bereicherten das Publikum um interessante Erkenntnisse. So hat Tardi viele Sprechblasen wörtlich aus den Notizen seines Vaters übernommen und etliche von dessen Skizzen künstlerisch ausgearbeitet.

Für diesen „eindrucksvollen Beitrag zur europäischen Erinnerungskultur des 20. Jahrhunderts“ überreichte Aloys Lenz, Vorsitzender des Präsidiums der Einhard-Stiftung, die von Lucie Post gestaltete Urkunde sowie eine Medaille „zur ständigen Erinnerung“. Der damit Geehrte dankte unter Verweis auf die Rue Éginhard in seiner Heimatstadt Paris und gewährte mit Übersetzerhilfe von Michel Gosselin Einblick in die Entstehung seiner Trilogie.

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt mit einer Zeichnung
Geschenk an den Preisträger: ein Bild des Künstlers Lothar Reinhard, das Seligenstadt mit Einhard vereint. © Privat

Schonungslos wurde deutlich, was fünf Jahre Gefangenschaft, Zwangsarbeit und Hunger mit einem Menschen machen. Umso beachtlicher, dass Tardi sich zur deutsch-französischen Freundschaft bekannte und trotz widriger Umstände den Weg in die Einhardstadt auf sich genommen hatte – mit seiner Frau, die als Protestsängerin in ihrem Land sehr bekannt ist.

In seinem Grußwort sagte Landrat Oliver Quilling: „Tardi verbindet Familien- mit europäischer Geschichte.“ Bürgermeister Daniell Bastian sprach von „festgehaltener Zeitzeugenschaft“, in die es sich einzutauchen lohne. Da der übliche Akt im Rathaus nicht möglich war, hatte er das Goldene Buch der Stadt mitgebracht. Tardi verewigte sich darin – natürlich! – mit einer Zeichnung. Sie zeigt ihn und seinen Vater. Im Gegenzug erhielt er als Gastgeschenk ein Bild von Lothar Reinhard, das Seligenstadt mit Einhard vereint.

Mit Klaviermusik des Deutschen Johann Sebastian Bach und des Franzosen Erik Satie sowie Charles Trenets Chanson „Douce France“ setzten Thomas Gabriel und Susanne Ermshaus den Rahmen. Die Bedeutung der Zeremonie unterstrich die Anwesenheit von Ilde Gorguet, Frankreichs charmanter Generalkonsulin in Frankfurt. Hessens Kunstministerin Angela Dorn hatte dagegen abgesagt.

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