Beliebtes Hotel und Gasthaus macht dicht

Der Stadtteil Froschhausen in Seligenstadt verliert seinen Mittelpunkt. Ein beliebtes Hotel und Gasthaus macht dicht.
- Traditionsgaststätte „Zum Lamm“ in Seligenstadt-Froschhausen schließt für immer.
- Das Restaurant und Hotel war der Mittelpunkt des Statteils - „der Dalles von Froschhausen“.
- 140 Jahre war das Traditionslokal im Familienbesitz - Jetzt machen die Heindels den Laden dicht.
Froschhausen – Das Fachwerkhaus samt Anbauten an der Ortsdurchfahrt von Froschhausen in Seligenstadt wird abgerissen und weicht Eigentumswohnungen.
Mit Corona hat das nichts zu tun. Die Pandemie sorgt lediglich dafür, dass Wirtin Bettina Heindel ihr Restaurant nach der Zwangspause nicht wieder öffnet. Der Hotelbetrieb läuft bis Ende Juli, dann ist auch dies Geschichte.
Seligenstadt: Traditionslokal im Stadtteil Froschhausen schließt für immer
„Mein Mann und ich hatten geplant, dass wir aufhören, wenn er 60 ist“, erzählt die Chefin, selbst 58. Das wäre voriges Jahr gewesen. Armin Heindel, vielen auch als Polizeihauptkommissar bekannt, starb jedoch 2015. Da keine der beiden Töchter Interesse an einer Übernahme zeigt, ist das Aus besiegelt. „Für mich geht das absolut in Ordnung so“, beteuert Bettina Heindel. „Die sollen ihren Weg laufen, nicht meinen.“
Das „Lamm“ war ihr Leben. Dort ist die Tochter der früheren Besitzer Käthi und Karl Böhm aufgewachsen, hat von Kindesbeinen an ausgeholfen und 26 Jahre lang das Haus geführt. „Ich bin um 5 Uhr hin, um 6 waren die ersten Frühstücksgäste da“, erinnert Heindel sich. „Abends bin ich als Letzte ins Bett, um halb zwölf oder später.“ Ihr Projekt für den Ruhestand: Sie richtet sich mit Töchtern und Schwägerin ein großes Haus in Froschhausen ein.
Traditionslokal in Seligenstadt schließt: "Der Dalles von Froschhausen"
„Schwer fällt es mir nicht“, versichert die Wirtin, die mit einer Festangestellten und sechs Aushilfen den Betrieb am Laufen hielt: 55 Plätze drin, 20 draußen, 27 Zimmer mit 36 Betten, unter der Woche gut belegt. „Jetzt fängt ein neuer Lebensabschnitt an. Es gibt ja noch anderes als Arbeit.“ Zum Beispiel ihren neuen Lebensgefährten.

Das „Lamm“ war „der Dalles von Froschhausen“, sagt Stammgast Heinrich Korb, der am Samstag 84 Jahre alt wird. Der frühere Mitarbeiter im Sozialamt schwärmt von den Zeiten, „als wir täglich ins Wirtshaus gegangen sind, und sei es zum Kartenspielen“. Allein in Froschhausen habe es zehn Kneipen gegeben. Das „Lamm“ mit seiner deutsch-bürgerlichen Küche sei vor allem für die Ortsvereine wichtig gewesen. „Und an der Theke wurde gesungen“, erinnert sich Korb.
Damit war Schluss, als das Ehepaar Böhm in den 70er Jahren den Schwerpunkt auf die Speisen legte: „Die Leute wollen in Ruhe essen“, so der Wirt. Es traf sich, dass Böhm, der mit drei Kindern aus erster Ehe eingeheiratet hatte, Polier im Hoch- und Tiefbau war und tüchtig zupacken konnte. In drei Abschnitten erweiterte er das Haus zum Hotel; Kuhstall und Scheune mussten weichen.
Froschhausen (Seligenstadt): Lokal wird zum Hotel - Jetzt schließt das Traditionshaus
Auch der Saal wurde zu Zimmern umgestaltet, und damit die Stätte, in der über Jahrzehnte das Vereinsleben tobte. Lang ist die Liste derer, die dort Maskenbälle feierten: Vertriebene, Egerländer, VdK, TuS, Feuerwehr, Obst- und Gartenbau- sowie Geflügelzuchtverein, Harmonie und Liederfreund. „Bis Mitternacht war Musik, bis zwei Uhr früh wurden noch Speck und Eier gemacht“, erzählt Bettina Heindel. Unvergessen ist „Onkel Adam“, Zwillingsbruder ihres Großvaters Josef Junker, der mit seiner Frau Maria die zweite Generation bildete: „Keiner durfte aufs Parkett, bevor er aus einer Büchse die Tanzglätte darauf gestreut hatte.“

Etwa 30 Jahre lang diente der Saal auch als Kino. Drei Filme die Woche zeigte das Hainstädter Ehepaar Heinzinger, mittwochabends, sonntagnachmittags und -abends. Sing- und Turnstunden fanden statt, sogar Gottesdienste, mindestens ein Kind wurde im „Lamm“ getauft. Legendär sind die Blechschütten, in denen sich die Fußballer nach dem Spiel erst einmal waschen konnten.
Traditionslokal in Seligenstadt: Die Ideen gingen nie aus - doch jetzt ist für immer Schluss
Bis zuletzt gab es immer wieder Neues, die Ideen gingen den Wirtsleuten nie aus: Musikveranstaltungen, Weiberfastnacht, Kür des Seniorenprinzenpaars, Weinabende, Maibockfest, Weihnachtsmarkt. Dazu originelle, deftige Gaumenfreuden: Froschhäuser Fleischtopf, gefülltes Spanferkel, Steckerlfisch.
Begonnen hatte die Familientradition 1880 mit Bettina Heindels Urgroßvater Jakob Junker. Schon drei Jahre später wechselte er den Bierlieferanten, seitdem fließt Glaabsbräu aus dem Zapfhahn. Nun ist das letzte Glas geleert.
VON MARKUS TERHARN
Die Schließung des Traditionshauses hat nichts mit Corona zu tun. Doch die Pandemie ist für viele Gaststätten in Seligenstadt und der Region eine existenzielle Bedrohung.
Mit dem Restaurant „Klosterstuben“ kehrte erst kürzlich ein Stück Tradition nach Seligenstadt zurück.