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Mit Pflegebedürftigkeit kommen neue Herausforderungen

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Von: Yvonne Fitzenberger

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Auch mit 80 Jahren stehen noch große Entscheidungen an: Das Thema Pflege im Alter trifft immer mehr Personen – sei es als zu pflegende oder als pflegende Person.
Auch mit 80 Jahren stehen noch große Entscheidungen an: Das Thema Pflege im Alter trifft immer mehr Personen – sei es als zu pflegende oder als pflegende Person. © dpa

Die Belastung für pflegende Angehörige ist groß. Seligenstadts Seniorenberater Daniel Kettler spricht darüber, wie wichtig Gespräche über die gewünschte Art der Pflege sind.

Seligenstadt – Viele träumen davon, wie die letzten Jahre des Lebens aussehen sollen: Gemütlich, mit den Liebsten, angekommen und verwurzelt. Noch einmal das Leben richtig genießen, ohne wichtige Entscheidungen treffen zu müssen. Doch verläuft die Zeit als Senior oder Seniorin oft anders. Nicht selten werden aus älteren Menschen Pflegefälle, die von ihren Angehörigen betreut werden.

„Man denkt, man ist angekommen, aber auch mit 80 Jahren müssen noch große Entscheidungen getroffen werden“, sagt Daniel Kettler. Er berät Seligenstadts Senioren. Sein Büro ist direkt neben dem Rathaus – ebenerdig, modern, hell. Der Schritt über die Türschwelle soll leicht fallen, auch wenn es das meistens nicht tut.

Mit der Pflegebedürftigkeit kommen neue Herausforderungen Hand in Hand – sowohl für die pflegebedürftige als auch für die pflegende Person. Es müssen beiderseits Entscheidungen getroffen werden, wie mit dem Bedarf an Pflege umgegangen werden soll. „Das haben viele nicht vor Augen, wenn sie an ihren Ruhestand denken“, so Kettler. „Das Leben bleibt turbulent.“

Altern bedeutet, Schritte zurück zu machen

Über das Thema „Pflege im Alter“ zu sprechen, sei für viele daher schwierig und mit Scham behaftet. Denn: Während es im Vergleich zur Kindererziehung immer nach vorne geht, bedeutet Altern, Schritte zurück zu machen und sich mit dem Thema Verlust auseinanderzusetzen. „Solche Gespräche sind nicht partytauglich“, sagt Kettler. Vielmehr seien sie erschöpfend und emotional.

Über Kindererziehung tauscht man sich viel aus, die Angebote sind vielfältig – in Person und online. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Kettler. Das sei bei der Pflege, die ebenfalls zur unbezahlten Sorgearbeit (siehe Infokasten) zählt, anders. „Es sollte mehr darüber gesprochen und Rat geholt werden“, betont der Seniorenberater. Anlaufstellen können da die städtische Seniorenberatung oder die Pflegekassen sein. Gerade Letztere bieten aber keine emotionale Unterstützung. „Dafür gibt es nur wenige Angebote“, erläutert Kettler. Und das liege teils auch an der mangelnden Nachfrage.

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sind wichtige Themen

Dies begründe sich darin, so Kettler, dass sich die pflegende Person dabei oftmals selbst vernachlässigt. Sie verplant sich vollkommen in der Pflege ihres Ehepartners oder Elternteils und achtet dabei nicht darauf, Freiräume für sich selbst zu nehmen. Die Sicht auf sich selbst verschwindet.

Die Pflege im Alter entwickelt sich zu einem immer wichtigeren Thema. Durch die heutige Medizin bleiben Menschen länger am Leben. Damit steigen auch die Wahrscheinlichkeit und die Länge der Pflegebedürftigkeit. Kettler beobachtet, dass die Bereitschaft, sich mit Vorsorgevollmachten und Verfügungen auseinanderzusetzen, bei der kommenden Generation an Senioren gestiegen ist. „Sie haben oft bei ihren Eltern die lange Pflegezeit miterlebt“, vermutet Kettler als Grund.

Unbezahlte Sorgearbeit

Unter den Begriff „unbezahlte Sorgearbeit“ fallen die Tätigkeiten Ehrenamt, Hausarbeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wenden Frauen im Schnitt pro Tag 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Umgerechnet sind das 87 Minuten Unterschied. So leisten Männer pro Tag im Schnitt zwei Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, bei Frauen sind es vier Stunden und 13 Minuten. Dies wird als „Gender care gab“ bezeichnet. Durch Kindererziehung und Haushalt arbeiten, so das BMFSFJ, Frauen häufiger in Teilzeit als Männer, was zu wirtschaftlichen Nachteilen für Frauen führt. Daher wirbt das Ministerium für eine gleiche Aufteilung der Sorgearbeit unter Partnern für gleichberechtigte Chancen. (Von Yvonne Fitzenberger)

Dabei sind Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zwei Themen, bei denen sich Menschen tief mit sich auseinandersetzen müssen. Kettler rät, sich erst einmal alleine, für sich, mit den Unterlagen zu beschäftigen.

So könne man für sich ermitteln, wo Gesprächsbedarf bestehe und wo Unsicherheiten sein könnten. „Das ist schwierig mit sich selbst zu klären, noch schwieriger mit dem Partner“, sagt der Seniorenberater, „am schwersten mit den eigenen Kindern.“

Partner und Angehörige sollten, empfiehlt Kettler, darüber sprechen, was im eigenen Sinne ist. „Wer pflegt, verzweifelt oft an der Frage, was dem anderen recht ist“, sagt er. Daher nehme ein Gespräch über die Wünsche und Vorstellungen von Pflege die Schwere, die mit dem Mitdenken automatisch einher kommt. (Von Yvonne Fitzenberger)

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