Seligenstadt stellt Weichen für die Zukunft des Tourismus

Die Stadt Seligenstadt überträgt ihre Tourismus-Sparte an die Stadtmarketing-GmbH. Das haben die Stadtverordneten nun beschlossen.
Seligenstadt – Als „Weichenstellung für die Zukunft“ betrachtet der Seligenstädter Magistrat die Ausgliederung der Tourismus-Sparte aus dem Verwaltungsbereich der Stadt und ihre Integration in die Stadtmarketing-GmbH. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte diesem Antrag am Montagabend im Bürgerhaus Froschhausen mit den Stimmen der CDU/FDP-Koalition sowie der SPD zu, freilich gegen massive Widerstände von Grünen und FWS. Die neue Gesellschaft heißt ab 1. April „SeligenStadtMarketing und Tourismus GmbH“, der Gewerbeverein hält weiterhin 51 Prozent der Gesellschafteranteile, die Stadt 49 Prozent.
Tourismus in Seligenstadt: Stadt hält 49 Prozent an der GmbH
Wenn es in Seligenstadt einen Wettbewerb zwischen routiniertem Verwaltungshandeln und privatrechtlichem Engagement gibt, so endet er knapp mit 51:49 für die Wirtschaft. Zumindest war das in der montäglichen Parlamentssitzung so. Beim geplanten Übertrag der Tourismus-Sparte stand nämlich nicht nur Sinn oder Unsinn dieser Transaktion auf dem Prüfstand, sondern auch die seit 14 Jahren gut funktionierende GmbH-Gesellschafteraufteilung Gewerbeverein/Stadt. Die Grünen, die mindestens eine 50-Prozent-Beteiligung der Stadt einforderten, und FWS-Fraktionschef Matthias Rupp, der dem Magistrat in einem geharnischten Vortrag eine Drucksache mit völlig unzureichender Begründung vorhielt und die Überlegenheit der Privatwirtschaft bei diesem Thema in Frage stellte, nahmen das Vorhaben gehörig unter Beschuss.
Letztlich scheiterten beide an den Koalitionsparteien – die Grünen mit einem Änderungsantrag, auf Rupps Schelte hin sah sich Bürgermeister Daniell Bastian (FDP) zu einer recht ungewöhnlichen Argumentationslinie genötigt.
Zwar sei die Umstrukturierung nachvollziehbar, so Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Rückert-Urban in ihrer Antragsbegründung, doch böten die 49 Prozent „faktisch keine Möglichkeit der Mitbestimmung“. Das Argument, alles sei nun 14 Jahre gut gelaufen, sei keine Garantie, immerhin erfolge die Finanzierung der Dienstleistung im Rahmen des Tourismus-Budgets im Haushalts- und Stellenplan der Stadt, gab sie zu bedenken.
Seligenstädter Tourismus: Möglichkeiten von Privatwirtschaft und Stadt sind Streitpunkt
Massiv kritisierte Matthias Rupp die Antrags-Drucksache des Magistrats, die weder die Frage beantworte, in welche Richtung sich der Tourismus entwickeln solle, noch, warum das Rathaus diesen Job nun nicht mehr übernehmen könne. Auch habe er nicht entdecken können, warum die GmbH das Thema Tourismus besser behandeln könne als die Stadt bislang. „Damit stellen wir uns doch ein Armutszeugnis aus.“
Immerhin, so Rupp weiter, weise die Stadtmarketing-GmbH bei Umsatzerlösen von 70 000 Euro lediglich eine Bilanzsumme von 27 200 Euro auf. Dagegen habe das Plenum mit der Etat-Verabschiedung 2023 einen Tourismus-Ansatz von fast 250 000 Euro beschlossen.
SPD-Fraktionschef Marius Müller widersprach. Für ihn sei derartiges Schimpfen auf den Öffentlichen Dienst nicht angemessen. Zudem sei die Stadt ja nicht nur über ihre 49 Prozent, sondern auch über ihre Mitgliedschaft im Gewerbeverein an Entscheidungsprozessen beteiligt.
Seligenstädter FDP-Vorsitzende: Marketing und Tourismus nicht von Gesellschaftsmehrheit steuern
Für FDP-Fraktionsvorsitzende Susanne Schäfer ist es kein guter Ansatz, wenn Marketing und Tourismus über eine Gesellschaftermehrheit politisch gesteuert werden können. Der Gewerbeverein habe über viele Jahre den GmbH-Betrieb aufrechterhalten, dies ohne allzu große Unterstützung der Stadt.
Als Reaktion auf die Oppositions-Vorhaltungen betonte Bürgermeister Bastian, die GmbH könne sich der Aufgabe mit viel größerer Flexibilität widmen. Die Stadt habe Glück, dass der Gewerbeverein an Bord bleibe und weiterhin einen maßgeblichen Beitrag leisten wolle. Schon bei Gründung der GmbH habe der Gewerbeverein auf einen 51-Prozent-Anteil gepocht, „weil er nicht das fünfte Rad am Wagen sein wollte“. Stadtmarketing und Tourismus, so Bastian weiter, seien im Übrigen nicht nur für Touristen wichtig, sondern auch Standortfaktoren für die Bevölkerung.
Die GmbH, also die Privatwirtschaft, sei in vielen Bereichen viel flexibler als eine Verwaltung, fuhr Bastian fort. „Wer ernsthaft glaubt, dass eine Verwaltung alles super beherrscht, der lebt doch nicht in dieser Welt.“ Eine Verwaltung könne vieles gut, die nun erforderliche Neuausrichtung der Tourismus-Branche zähle sicher nicht dazu. (Von Michael Hofmann)
Modalitäten des Transfers in Seligenstadt
Zur Umsetzung der Tourismus-Übertragung darf der Magistrat im Rahmen des beschlossenen Haushalts- und Stellenplanes 2023 alle rechtlichen, finanziellen und tatsächlichen Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen ein Personalgestellungsvertrag zwischen Stadtmarketing-GmbH und Stadt Seligenstadt über den Einsatz (und die Bezahlung) von städtischem Personal in der Gesellschaft, ein Mietvertrag über die Nutzung von Räumlichkeiten im Einhardhaus am Marktplatz sowie ein abgestimmter Budgetentwurf für das Jahr 2023 und ein Rahmen-Dienstleistungsvertrag über die Grundzüge der Wahrnehmung der Dienstleistung Tourismus/Tourist-Information durch die neue „SeligenStadtMarketing und Tourismus GmbH“. (Von Michael Hofmann)