Seligenstädter Ärztin Dr. Imke Hoppe über Einsatz am anderen Ende der Welt

Eigentlich behandelt Dr. Imke Hoppe Nieren- und Dialysepatienten in Seligenstadt. Jetzt warten die Philippinen.
Seligenstadt –Mit der Organisation German Doctors reist die 51-jährige Ärztin auf die Insel Luzon. Ein Gespräch über das Arztsein im Ausland, entspannte Wartezimmer, und ein Kind, das sie nicht mehr vergisst.
Dr. Hoppe, Sie haben karitativ in Indien und Bangladesch gearbeitet, jetzt geht es auf die Philippinen. Was treibt Sie als Ärztin an?
Ich habe mich schon während des Studiums sehr für die Lebensumstände in anderen Ländern interessiert. Zu sehen, wie Medizin im Ausland praktiziert wird, der häufig andere Umgang mit Krankheit, das hat mich gereizt. Für German Doctors, eine Organisation, die Ärzten Kurzzeitaufenthalte im Ausland ermöglicht, war ich 2002 in Kolkata, Indien, dann 2018 in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Und im Januar geht es jetzt nach Luzon, die Nordinsel der Philippinen.
Ein anderer Umgang mit Krankheit – wie hat sich das auf Ihren Stationen bemerkbar gemacht?
Die Menschen sind viel gelassener. Teilweise wollen 80 Leute behandelt werden, sind sich nicht immer sicher, ob sie am Ende des Tages überhaupt drankommen. Es entsteht aber keine Unruhe, kein Gemotze. Sie warten mit einer Geduld, die man hier selten erlebt. Bei uns ist es oft so, dass Kleinigkeiten ganz groß gemacht werden, jeder hält sich für am wichtigsten. Das ist in Ländern, in denen medizinische Versorgung nicht so flächendeckend und selbstverständlich ist, häufig anders.
Gibt es einen Eindruck von unterwegs, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ein Moment in Bangladesch. Da kam ein sehr krankes Kind zu mir, ich wollte es unbedingt ins Krankenhaus einweisen, was die Mutter aber abgelehnt hat. Einerseits war sie nicht befugt, das zu entscheiden. Das ist Sache des Ehemanns. Andererseits muss in Bangladesch jeder Patient, der in eine Klinik will, eine Begleitperson mitbringen, die ihn während des Aufenthalts versorgt. Das ging nicht. Die Frau konnte die Geschwister nicht alleine zu Hause lassen. Dieses Dilemma, vor dem die Mutter stand, das hat mich einfach hilflos gemacht. Denn natürlich wollte auch sie das Beste für ihr krankes Kind, und dass es überlebt.
Wissen Sie, was mit dem Kind passiert ist?
Nein. Die Familie ist dann auch gar nicht mehr wiedergekommen. Wir haben versucht, das irgendwie herauszufinden. Wir arbeiten eng mit Gesundheitshelfern und Übersetzern zusammen, die häufig wissen, wo die Leute wohnen. Die Recherche ist dann aber im Sand verlaufen.
Welches Szenario erwartet Sie auf den Philippinen?
Ich wollte diesmal gerne an einer „Rolling Clinic“ teilnehmen. Auf der Insel Luzon unterhält German Doctors ein Zentrum, von dem die Ärzte regelmäßig mit dem Auto verschiedene Dörfer anfahren. Meine ersten Projekte waren in großen Städten, wo wir eine stationäre Ambulanz hatten. Mich reizt jetzt der Kontrast, auch mal eine ländliche Region kennenzulernen.
Werden Sie auf Luzon anders arbeiten als in Seligenstadt?
Ganz eklatant anders. Im richtigen Leben bin ich Internistin und Nierenfachärztin am Nephrologicum Heusenstamm-Seligenstadt. In Deutschland mache ich also Spezialmedizin. Dort ist es wirklich Basismedizin, mit ganz eingeschränkten Mitteln, was Diagnostik und Therapie betrifft.
Wie blicken Kollegen und Familie auf Ihr Engagement – skeptisch oder unterstützend?
Skeptisch nicht. Meine Kollegen und Chefs muss ich ganz lobend erwähnen, weil sie mich freistellen. Das ist nicht selbstverständlich. Zu meiner Familie: Ich erinnere mich an 2018, da war meine Tochter gerade Elf. Die fand damals ziemlich blöd, dass ich sechs Wochen weg war. Das ist heute anders. Und zum Glück habe ich zu Hause einen Mann, der das gewuppt kriegt. Er weiß, dass mir der Einsatz ein Bedürfnis ist und macht mir das möglich.
Warum würden Sie auch anderen deutschen Ärzten raten, sich einmal in einer ärmeren Weltregion zu engagieren?
Ich bekomme so vieles zurück. Ich stelle fest: Wenn ich längere Zeit unsere von Wohlstandskrankheiten geprägte Medizin mache, dann erdet mich die Arbeit dort. Und die Lebensumstände. Nach Hause zu kommen und wieder Wasser aus dem Hahn trinken zu können, wird plötzlich zu etwas Besonderem. Und das finde ich einfach wichtig.
Das Interview führte Julius Fastnacht.