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„Stoppt Putin“-Demo in Seligenstadt: Angst, Beklemmung und viel Solidarität mit Ukraine

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Von: Michael Hofmann

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„Stoppt Putin“-Demo auf dem Marktplatz in Seligenstadt
Beifall für die Ukraine: Die „Stoppt Putin“-Veranstaltung lockte Hunderte Menschen auf den Seligenstädter Marktplatz. © Axel Hampe

Hunderte Menschen haben am Mittwochabend in Seligenstadt an einer überparteilichen „Stoppt Putin“-Demo teilgenommen. Vor dem Rathaus erlebten die Menschen eine Atmosphäre der Beklemmung, Ungewissheit und Angst. Große Betroffenheit und viel Anteilnahme lösten die Schilderungen zweier junger ukrainischer Frauen aus.

Seligenstadt – Der Marktplatz der Einhardstadt ist in der Region beliebt als Hort ausgelassener Freude bei farbenfrohen Festen und Feiern. Eine Attraktion für Jung und Alt, ein Symbol des freien, unbeschwerten Lebens. Am Abend des Aschermittwochs allerdings zeigte die Stadtmitte ein neues, nie gekanntes ernstes Gesicht. Vor dem Rathaus, angestrahlt mit den ukrainischen Landesfarben Blau und Gelb, erlebten 700, 800, manche schätzten gar 1000 Menschen, eine Atmosphäre der Angst, Beklemmung und Ungewissheit. Empathische Politikerworte der Sympathie und Solidarität mit 44 Millionen Ukrainern, die nach dem russischen Panzeraufmarsch und Luftangriffen um Leib und Leben fürchten, stießen auf große Zustimmung und Beifall.

„Nur zweieinhalb Flugstunden von hier herrscht Krieg, Putins Angriffskrieg“, sagte Jelena Ebert vom SPD-Ortsverein Seligenstadt, die diese überparteiliche Demonstration mit ihrer Mainhausener Parteifreundin Katja Jochum in kürzester Zeit organisiert hatte, zu Beginn. „Stoppt Putin - Gegen den Krieg in der Ukraine“ lautete denn auch das Motto. Und als wollte der tief gefallene russische Kriegsfürst demonstrieren, dass er keine Gnade kennt oder gewährt und seine Feinde stets im Auge hat, machte an diesem Abend die Nachricht von einer schweren Explosion in der Nähe des Kiewer Bahnhofs die Runde. Betretenes Schweigen, Verständnislosigkeit, aber auch Wut waren die Reaktion unter den Demo-Teilnehmern.

Zwei ukrainische Frauen kommen bei der Demo in Seligenstadt zu Wort

Die junge Ukrainerin Wasylisa Rokambole nahm spontan an der Demo teil, berichtete von ihrer Flucht aus Kiew.
Die junge Ukrainerin Wasylisa Rokambole nahm spontan an der Demo teil, berichtete von ihrer Flucht aus Kiew. © Axel Hampe

Große Betroffenheit und viel Anteilnahme lösten die Schilderungen zweier junger ukrainischer Frauen aus, die, mit warmem Applaus empfangen, extrem angespannt und immer wieder weinend vom Anfang der Invasion, von den Bomben, ihrer Angst und Sorge um Verwandte, von blinder Zerstörungswut und ausweglosen Situationen berichteten.

Nataliya Aleksenko, die aus Odessa stammt und Ende der 1990er Jahre nach Deutschland kam, erzählte von ihrer 86-jährigen Mutter, die nicht mehr laufen könne und angesichts langer Schlangen an den Grenzen ohnehin keinerlei Chance auf Ausreise habe. Die Ukraine besitze Atomkraftwerke, sagt sie, nicht auszudenken, wenn sie bombardiert werden.

Wasylisa Rokambole, eine junge Künstlerin aus Kiew, erzählt auf Englisch von der Schockwirkung des russischen Einmarschs, der Nacht der ersten Einschläge, ihrer Flucht mit der Bahn und von ihrer Familie. Sie sagt, für sie sei alles dunkel und hoffnungslos. „Ich bin in Deutschland, aber mein Herz ist in der Ukraine.“ Sie will weiterreisen und versuchen, ihre Kontakte zu nutzen oder neue aufzubauen, um Hilfsaktionen zu organisieren.

Landtagsvizepräsident Frank Lortz (CDU) schlägt gemeinsame Ostkreis-Spendeninitiative vor

Als „eklatanten Bruch des Völkerrechts“ brandmarkte Landtagsvizepräsident Frank Lortz (CDU) den russischen Angriff. Mitten in Europa sei Krieg, nun müsse die freie Welt Einigkeit beweisen. Da inzwischen Hunderttausende von Menschen auf der Flucht seien, so Lortz weiter, „müssen wir jetzt alle helfen.“ Er schlug eine gemeinsame Spendeninitiative der Ostkreis-Kommunen Seligenstadt, Hainburg und Mainhausen, begleitet von den Abgeordneten, vor, die mit Unterstützung von Vereinen und Verbänden unmittelbar ihre Arbeit aufnehmen solle. Seligenstadts Bürgermeister Daniell Bastian (FDP) sprach mit Blick auf die große Menschenmenge auf dem Marktplatz von einem sehr bewegenden Moment. Vielleicht, so der Rathauschef, sei dies auch Gelegenheit, um kurz innezuhalten, denn das Beispiel Ukraine zeige, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie keineswegs selbstverständlich seien.

Geschockt vom Krieg (v.l.): René Rock, Halil Öztas, Jens Zimmermann, Daniell Bastian und Frank Lortz.
Geschockt vom Krieg (v.l.): René Rock, Halil Öztas, Jens Zimmermann, Daniell Bastian und Frank Lortz. © Axel Hampe

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann zeigte sich erfreut darüber, dass so viele Menschen auf die Straße gehen, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu zeigen. Er appellierte an die Mutigen im Russland, darunter die berühmten Soldatenmütter, diesem Beispiel zu folgen. Als Bundestagsabgeordneter sage er, „ja, wir haben Waffen geschickt, aber doch nur, damit sich die Ukraine verteidigen kann.“ Mainhausens SPD-Chef Harald Hofmann formulierte einen Gedanken, den wohl so manch einer der Zuhörer selbst hatte: „Was würden wir tun, wenn diese Raketen auf unser Rathaus hier gerichtet wären?“ Krieg, so Hofmann weiter, passe nicht mehr in unsere Zeit. „Das haben wohl nicht alle verstanden. Putin wird als Verbrecher in die Geschichtsbücher eingehen.“ Holger Reining aus dem SPD-Vorstand in Hainburg, sagte, er arbeite mit jungen Kollegen in St. Petersburg. Nunmehr gelte es, Russland zu zeigen, dass die Welt diese Invasion ablehnt.

Politiker in ihren Reden vor dem Rathaus in Seligenstadt einig: Solidarität mit der Ukraine zeigen

Wie - parteiübergreifend - alle Redner, gab sich auch René Rock, der FDP-Chef im Hessischen Landtag, entschlossen und kämpferisch: Freiheit sei eine starke Kraft des Menschen, „diese Freiheit wird heute in der Ukraine verteidigt. Das ist auch unsere Freiheit.“

Halil Öztas, dem Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks, fielen zahlreiche Kinder auf dem Marktplatz auf. Kinder seien unsere Zukunft, „und so denken auch die Eltern in der Ukraine.“ Es gelte deshalb, Solidarität zu zeigen und das „Banditentum“ Putins anzuprangern. (Michael Hofmann)

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