Ulrich Wetzel: Vom Amtsgericht zurück ins TV

Ende Mai verabschiedete sich der Ulrich Wetzel, Leiter des Seligenstädter Amtsgerichts, in den Ruhestand. Seit wenigen Tagen ist er allerdings wieder „Strafgericht“ auf Sendung.
Seligenstadt – Die meisten kennen ihn (hoffentlich) nur aus dem Fernsehen: Von 2002 bis 2008 sprach Richter Ulrich Wetzel Urteile in der RTL-Gerichtsshow „Das Strafgericht“. In unzähligen Wiederholungen sind die Folgen auch heute noch auf den verschiedenen Kanälen des Senders zu sehen. Wetzel selbst war nach Abschluss der Sendung Leiter des Amtsgerichts Seligenstadt. Seit Ende Mai ist der Offenbacher nun aber in Rente.
Doch langweilig wird es für ihn in der nächsten Zeit nicht: Zusammen mit Constantin Entertainment ist er nun bei einer Neuauflage des „Strafgerichts“ dabei, die ersten Folgen sind bereits abgedreht. Im großen Interview verrät er, wie es dazu kam, warum es gut ist, dass die Sendung wiederkommt und was er an Seligenstadt vermisst.
An was erinnern Sie sich heute noch gerne zurück?
Das war für mich damals sehr aufregend, weil ich vom Richtertisch in ein Fernsehstudio gewechselt habe. Und auch der Medienrummel damals um meine Person, das war schon spannend.
Sie haben danach lange das Amtsgericht Seligenstadt geleitet – wie groß war damals die Umstellung?
Gar nicht groß. Das lag auch daran, dass wir mit der Sendung Infotainment gemacht haben. Also nicht nur Unterhaltung, Entertainment, sondern eben auch Informationen übermittelt haben. Auch wenn der Zeuge, der am Ende alles kippt, im wirklichen Leben natürlich nicht existiert, waren wir sehr nah an der Realität angelehnt. Das war kein Kasperletheater. Deshalb war die Rückkehr ins tägliche Geschehen für mich wirklich denkbar einfach.
Angeblich haben Sie Ihre Urteile in der Sendung auch immer selbst geschrieben, die waren nicht geskriptet...
Das ist richtig – so ist es heute auch wieder. Das Drehbuch endet mit dem Beginn der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und genauso ist auch das Urteil völlig frei.
Werden Sie heute noch erkannt?
Das passiert durchaus immer wieder mal. Erstaunlicherweise haben die Menschen, die mich vor Gericht erkannt haben, aber nie direkt etwas gesagt, sondern erst nachdem alles vorbei war. Das fand ich bemerkenswert. Denn das Ansehen des Gerichts als Institution wurde so erst mal gewahrt und wenn das Urteil gesprochen war, da haben dann manche nach einem gemeinsamen Foto oder eine Autogrammkarte gefragt.
Schmeichelt Ihnen das?
Sicherlich, aber die schönsten Erlebnisse waren dann doch die, wo ich von Kolleginnen oder Kollegen angesprochen wurde, sie mir zum Beispiel eine Referendarin vorgestellt haben und meinten, dass sie Jura studiert hat, weil sie sich in der Schule meine Sendung angeschaut hat. Das ist ein schönes Kompliment.
Jetzt gehen Sie wieder auf Sendung. Wie kam es dazu?
Eigentlich war es ein Rennen von zwei Produktionsgesellschaften, die beide um meine Gunst gebuhlt haben. (lacht) Bei einer hats geklappt und das hat auch ganz gepasst, weil ich ja vor Kurzem in Pension gegangen bin. Heute wäre eine Freistellung wie damals nämlich nicht mehr möglich, weil wir im richterlichen Bereich auch Nachwuchsprobleme haben.
Wie liefen die Dreharbeiten so ab?
Die ersten 50 Folgen haben wir mittlerweile abgedreht. Da hat es zwei Blöcke gegeben, Drehtage waren immer Dienstag und Mittwoch, zwei Wochen, dann war eine Woche frei – auch um den Redakteuren eine kleine Pause zu gönnen. Pro Drehtag haben wir nämlich immer drei Folgen gedreht, pro Woche also sechs.
In den neuen Folgen sind alte Bekannte und neue Gesichter dabei. Tauscht man alte Geschichten aus und ist gleichzeitig Mentor für die Neuen?
Mit den Älteren stehe ich nach wie vor in Kontakt, wir haben uns damals angefreundet, mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger. Gerade mit Funda Bicakoglu stehe ich in ganz engem Kontakt, ebenso mit Gabriele Bender-Paukens, die ja auch im Rhein-Main-Gebiet wohnt. Die Neueren sind, auch so ein bisschen gewollt, von uns alten Hasen in die Materie eingeführt worden.
Werden dieses Mal andere Themen behandelt?
Im Prinzip ist das schon ziemlich ähnlich. Wir haben immer noch die Frauen-Affinität, also die Themen Beziehungen, familiäre Geschichten, die den Hintergrund für die eigentliche Straftat bilden. Was wir aber deutlich mehr hervorheben, sind natürlich digitale Medien, auch als Beweismittel. Das kommt ja auch in der Wirklichkeit immer stärker, die sich allerdings noch etwas schwerer damit tut, weil es prozessual noch nicht so klar gefasst ist. Da ist oft die Frage: Geht das, dass ein Video- oder Bildaufzeichnung zugelassen wird.
Barbara Salesch: Früher Konkurrenz, jetzt Kollegin. Wie war da der Austausch?
Früher hatte ich wenig Kontakt mit ihr. Wir haben uns mal bei einer Talkshow getroffen und im selben Hotel gewohnt und uns dann mal auf einen Kaffee getroffen. Man hat natürlich eine Nähe und liegt auf einer Wellenlänge, auch wenn sie allerdings seit 1998 nicht mehr in dem Beruf als Richterin gearbeitet hat. Das Gleiche gilt für Alexander Hold, wir hatten ja sogar die gleiche Produktionsfirma und deshalb auch immer ein gutes Verhältnis zueinander.
Warum ist es, Ihrer Meinung nach, jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dass diese Sendung zurückkommt?
Zum einen wünschen sich die Leute die „gute alte Zeit“ zurück – und das ist eben auch verbunden mit Serien, die man früher vielleicht geschaut hat. Dazu kommt die Corona-Pandemie, die uns seit zwei Jahren beschäftigt, und ein Krieg relativ nah vor unserer Haustür: Das sind Sachen, die Menschen verunsichern. Und Sendungen wie „Das Strafgericht“ geben den Menschen eine Sicherheit: Da ist eine Instanz, die zwar nicht eins zu eins realistisch abgebildet wird, die aber für Gerechtigkeit sorgt – am Ende wird der Bösewicht bestraft. Das ist das Ziel, was die Justiz hat.
Seit Ende Mai sind Sie in Pension. Wie fühlt es sich an, nach elf Jahren dem Amtsgericht in Seligenstadt Lebewohl zu sagen?
Das ist mir nicht leicht gefallen. Es ist natürlich ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Man freut sich auf neue Aufgaben, vor allem, wenn sie sich so nahtlos anschließen, aber ich hatte auch ein sehr gutes Verhältnis zu allen Kolleginnen und Kollegen hatte und da waren beide Seiten schon ein bisschen traurig.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Ich habe zwar nicht in Seligenstadt gewohnt, aber es ist natürlich eine sehr lebenswerte Stadt. Meine Schwester wohnt hier noch, ebenso mein Neffe und Patenkind. Deshalb kenne ich Seligenstadt sehr gut und habe es immer sehr geliebt. Und durch die Familie komme ich dann aber auch immer mal wieder vorbei.
Sie leben in Offenbach. Wie gefällt es Ihnen da?
Wir leben in der Nähe des Deutschen Wetterdienstes und das Witzige dabei ist, dass mich meine Vergangenheit da wieder einholt. Ich bin hier auf die Leibnizschule gegangen und schaue jetzt von meinem Balkon auf den alten Turm des Gymnasiums. Das ist für mich Heimat.
Unter den Zuschauern der Sendung werden sicher auch viele aus der Region sein. Was erwartet sie?
Das Vertraute verbunden mit der modernen, digitalen Welt, spannende Fälle. Da lohnt es sich durchaus, einzuschalten.