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Ein 2022 gegründeter Verein will der altehrwürdigen Basilika eine Orgel spendieren

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Von: Andreas Hartmann

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Seit 1981 erklingt die aktuelle Orgel der Firma Wilbrand in der Seligenstädter Basilika.
Seit 1981 erklingt die aktuelle Orgel der Firma Wilbrand in der Seligenstädter Basilika. © Oeser

Musikalisch sind Orgeln wohl der größte Luxus, den das Reich der Töne zu bieten hat, riesige, meist fest installierte, hoch komplexe Maschinen, die die heiligen Hallen zum Beben bringen können. Eine Kirche ohne Orgel, das ist nur schwer vorstellbar.

Seligenstadt – Im altehrwürdigen ehemaligen Kloster von Seligenstadt steht natürlich ebenfalls eine, seit mindestens 600 Jahren, wie der Jurist und orgelbegeisterte Axel-Johannes Korb berichtet, der regelmäßig in der vor 1 200 Jahren erbauten Basilika musiziert. „Das wievielte Instrument die 1981 erbaute Orgel ist, kann man aber wegen der Quellenlage heute nicht mehr sagen“, meint der 43-Jährige.

Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen.
Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. © Rolf Oeser

Musikfreunde sind allerdings nicht besonders glücklich über das gerade einmal 41 Jahre alte Instrument der heute nicht mehr existierenden Firma Wilbrand. Das wurde in dieser kurzen Zeit sogar schon einmal generalüberholt, doch viel geholfen hat es nicht. Immer wieder bleiben Töne hängen, versagt die Elektronik, und das in einer Kirche, die eine überregionale Touristenattraktion ist und in der regelmäßig international bekannte Organisten spielen.

Spitzeninstrument kann bis zu drei Millionen Euro kosten.

Axel-Johannes Korb

„In den 1950er Jahren wurde ohne Not die sehr schön klingende Schlimbach-Orgel aus dem 19. Jahrhundert abgebrochen, die man gut hätte reparieren können“, sagt Korb. „Aber in der Wirtschaftswunderzeit war einfach zu viel Geld da.“ Man müsste wohl sehr viel in regelmäßige Wartungen stecken, um die Wilbrand-Orgel weiterhin spielbar zu erhalten. Ein Gutachten des Mainzer Domkapellmeisters Karsten Storck für Seligenstadt warnt vor den wiederkehrenden hohen Kosten und empfiehlt den „mutigen Schritt eines technischen Neubaus“.

Nun sind die Zeiten der üppig sprudelnden Kirchen- und sonstigen Steuern vermutlich dauerhaft vorüber, und eine neue Orgel kauft man nicht mal eben so. Dass die Seligenstädter Pfarrgemeinde – immerhin Nachfolgerin eines einst sehr reichen Klosters – dafür das nötige Geld aufbringen könnte, scheint auf den ersten Blick utopisch. „Der Gemeinde gehören keine Immobilien oder sonstiges“, sagt Korb. „Und ein Spitzeninstrument kann schon auch bis zu drei Millionen Euro kosten.“

Er habe aber, sagt Storck, in seiner langen Tätigkeit als Kirchenmusiker immer wieder beobachten können, dass ein solches Projekt eine Gemeinde zusammenbringen könne. Seit 15. Mai dieses Jahres sammelt nun ein eigens gegründeter Verein, in dessen Vorstand natürlich auch Korb sitzt, Spenden für den Neubau. In den wenigen Monaten seither sind bereits mehr als 150 000 Euro zusammengekommen, von der Stadt Seligenstadt, dem Kreis Offenbach, der Sparkasse Langen-Seligenstadt, aber auch von zahlreichen Privatleuten. „Seligenstadt ist eine sehr musikalische Stadt“, meint Korb. Schirmherr des Projekts ist der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).

Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen.
Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. Die rund 1 200 Jahre alte Basilika in Seligenstadt soll eine neue Orgel bekommen. © Rolf Oeser

Das Ziel ist zwar noch ein ganzes Stück entfernt, doch einen ersten Schritt kann der Verein wohl schon im Frühjahr machen: Für das Querschiff der Kirche soll dann der erste Teil, eine Chororgel, in Auftrag gegeben werden. Man habe bereits Angebote von verschiedenen Orgelbaufirmen eingeholt und sei in konkreten Verhandlungen, berichtet Korb, der im Alltag als Jurist bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt arbeitet. 220 000 bis 250 000 Euro soll das nach seinen Angaben kosten. Der Denkmalschutz hat bereits ein vorläufiges OK für die Anbringung von vier Stahlhaken im 1 200 Jahre alten Mauerwerk gegeben. Insgesamt solle die Orgel einen gehobenen sechs- oder gar siebenstelligen Betrag kosten. Man wolle, so berichtet er, im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst viel historisches Material weiternutzen, „Gerade werden viele Orgeln verkauft, da gibt es wahre Schätze“, meint Korb.

„Mit einer neuen Orgel entsteht etwas ganz Wunderbares, das nach heutigen Standards viele Generationen überdauert“, sagt Orgelexperte Storck. Eine der ältesten Orgeln der Welt steht gar nicht weit entfernt im Winzerdorf Kiedrich im Rheingau. Weil die dortige Kirchengemeinde (anders als Seligenstadt) kein Geld für grundlegende Modernisierungen hatte, der Ort auch von Kriegen verschont wurde, blieb eine heute fast einzigartige Kostbarkeit erhalten. Wer weiß, wie lange eine neue Orgel in Seligenstadt bestehen wird – doch jetzt muss sie erst einmal gebaut werden. (Von Andreas Hartmann)

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