Westring Seligenstadt: Erneute Auslegung beschlossen, SPD-Attacke auf Bastian

Zwei Paukenschläge am Ende einer geschäftsmäßigen, bisweilen etwas drögen Sitzung der Stadtverordneten im Riesensaal. Weil ihr Antrag auf Vertagung abgelehnt wurde, verließen die Grünen am späten Montagabend aus Protest in Mannschaftsstärke den Saal. Aus Verärgerung über Antragsmodifikationen warf SPD-Politiker Rainer Stoll anschließend Bürgermeister Daniell Bastian (FDP) rechtlich fragwürdiges, womöglich gar strafrechtlich relevantes Verhalten vor.
Seligenstadt – Was war geschehen? Mord? Totschlag? Unterschlagung in großem Stile? Weder noch. Die erneute öffentliche Auslegung des Bebauungsplans 86, Südwestlich des Westrings, stand auf der Tagesordnung - ein Antrag des Magistrats. Rein formal ist diese wiederholte Auslegung erforderlich, weil inzwischen aktualisierte Fachbeiträge eingeflossen sind (artenschutzrechtliche Prüfung, Fachbeitrag zur Erschließung, schalltechnische Untersuchung).
Unter 25 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange, anerkannter Verbände sowie aus der Öffentlichkeit seien „lediglich drei kleine Änderungen“ in die Beplanung des 19 Hektar großen Gebiets eingegangen, sagte FDP-Politiker Philipp Giel zu Beginn. Was zudem zwar im sogenannten Ratsinformationssystem, nicht aber im Magistratsantrag steht, brachte vor allem die SPD auf die Palme: Auf Wunsch der Koalition von CDU und FDP hatte die Verwaltung offenkundig die in der Vorzugsvariante festgelegten Wohneinheiten pro Hektar (WE) von 42 auf 37 reduziert.
FWS-Fraktion lehne die Vorlage ab
FWS-Politiker Matthias Rupp sprach das als erster an und betonte, seine Fraktion lehne die Vorlage deshalb ab. Die WE-Reduzierung „durch die Hintertüre“ spiegele die Vorstellungen der neuen Koalition in einer großzügigen Form wider - ohne Rücksprache oder Beschluss im Parlament. In Richtung CDU sagte Rupp, das sei wohl die Kompensation für den Verzicht auf einen Bürgermeisterkandidaten der Union.
In der vorhergehenden Koalition (SPD, FDP, FWS) habe seine Partei ja noch die Finger im Spiel gehabt, sagte SPD-Oppositionspolitiker Reiner Stoll. Doch das habe sich geändert, für ihn liege nunmehr der schlechteste Plan vor, den er je gesehen habe: Er enthalte eine Reihe sachlicher Fehler, sei zudem politisch hochbrisant. Die WE-Reduzierung widerspreche der einstigen Beschlusslage, die Weitergabe dieser Änderungen vom Bürgermeister an das beauftragte Büro Terramag sei rechtlich fragwürdig, womöglich gar strafrechtlich von Belang. Zudem seien Geschosswohnungsbauflächen in den Planzeichnungen zugunsten von Einfamilienhäusern reduziert, das Gebiet verkleinert und so aus der Balance gebracht worden. Und das bei einer Liste von 200 Familien mit Anspruch auf geförderten Wohnraum.
Seligenstadt Stadtverordnetenvorsteher Georgi appellierte an Reiner Stoll
Stoll warf Bastian vor, er unterscheide zwischen Bürgern erster und zweiter Klasse, die zweite bedeute ihm nichts. Die SPD schlage in einem Änderungsantrag vor, eine eigene Expertise zu den Kernfragen der Planung zu erstellen. Dazu empfahl er Kontakt mit dem einwohnerreichen Würzburger Stadtbezirk Frauenland aufzunehmen, der für ihn Vorbildcharakter habe. Stadtverordnetenvorsteher Richard Georgi (CDU) sagte, er verzichtete zwar auf eine Rüge, appellierte aber eindringlich an Stoll, sich bei seiner Wortwahl des üblicherweise freundschaftlichen und angemessenen Stils zu befleißigen.
Die FDP-Fraktion wollte den Affront allerdings nicht hinnehmen. Für Philipp Giel könnte eine Reaktion auf Stolls Beitrag in den Vorwurf der üblen Nachrede oder falscher Verdächtigung münden. Seine Fraktionsvorsitzende Susanne Schäfer fügte hinzu, Stoll habe sich bereits in der Ausschussrunde über die Maßen kritisch über Terramag geäußert, solle sich sorgfältig überlegen, wie er in Zukunft argumentiert. „Wir haben inzwischen eine neue politische Situation, werden heute zum Westring-Plan einen neuen Beschluss fassen. Ich muss sagen, damit können wir deutlich besser leben“, so Schäfer weiter.
Seligenstadts Grüne klagten, es sei zu wenig Zeit für die Durcharbeitung der Vorlage geblieben
Die Grünen-Fraktion hatte gleich zu Beginn der Sitzung mit Verweis auf einen auf fast 650 Seiten angewachsenen Westring-Ordner per Geschäftsordnungsantrag vergeblich geklagt, es sei zu wenig Zeit für die Durcharbeitung der Vorlage geblieben und forderte eine Verschiebung der Abstimmung in die nächste Sitzungsrunde. Die Ablehnung der Vertagung „beschränkt die Arbeitsweise mindestens zweier Fraktionen und schwächt in erheblichem Maße die gewissenhafte Arbeit“, beklagt Grünen-Fraktionschef Frederick Kubin. Es entstehe „der Eindruck, dass FDP und CDU sich um eine notwendige fachliche Diskussion drücken wollen.“ (Von Michael Hofmann)