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Kickers Offenbach und der intensive Saisonendspurt 1997/1998: „Schwierig, sich zu fokussieren“

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Von: Christian Düncher

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Chancenlos in „brasilianischem“ Outfit: Lars Mayer (rechts) und der OFC verloren das erste Aufstiegsrundenspiel in Siegen mit 0:4. „Danach haben wir nie mehr in gelben Trikots und blauen Hosen gespielt“, sagt Stefan Simon.
Chancenlos in „brasilianischem“ Outfit: Lars Mayer (rechts) und der OFC verloren das erste Aufstiegsrundenspiel in Siegen mit 0:4. „Danach haben wir nie mehr in gelben Trikots und blauen Hosen gespielt“, sagt Stefan Simon. © Archiv

Aus unserer Serie „Vor 25 Jahren“: Als Kickers Offenbach den Durchmarsch in die 2. Liga verpasste. Im Interview spricht Stefan Simon über den intensiven Saisonendspurt des OFC und dessen „irre“ Fans

Offenbach – Der Mai 1998 hatte es für die Offenbacher Kickers in sich: Erst Platz zwei in der Regionalliga Süd verspielt und in der letzten Partie der Punktrunde vor heimischer Kulisse zurückerobert. Dann der harte Aufprall in der Aufstiegsrunde zur 2. Liga mit zwei Niederlagen gegen die Sportfreunde Siegen (0:4) und TeBe Berlin (1:2). Seinerzeit als linker Mittelfeldspieler dabei: Stefan Simon. Im Interview spricht der heute 53-Jährige über „irre“ Fans, ein ungewöhnliches, einmaliges Outfit sowie die motivierende Wirkung eines sportlichen Rückschlags.

Hallo, Herr Simon, wo erreichen wir Sie gerade?

Zu Hause in Elz (Anm. d. Red.: Gemeinde im Landkreis Limburg-Weilburg) – im Homeoffice.

Was machen Sie beruflich?

Ich bin im Bereich Luftfracht tätig, quasi seit Ende meiner Profi-Karriere.

Welchen Stellenwert hat der Fußball aktuell noch in Ihrem Leben?

Ich spiele noch für die Alten Herren meines Heimatklubs FC Offheim. Als Trainer habe ich zuletzt ein Jahr Pause gemacht und wollte eigentlich im Sommer neu starten. Ich habe dann aber einen Anruf vom FCA Niederbrechen bekommen, die in der Kreisoberliga so schlecht dastanden, dass sie wissen wollten, ob ich nicht schon früher einspringen könnte. Wir sind nun im Endspurt um den Klassenerhalt.

Stefan Simon in der Saison 1997/98
Stefan Simon in der Saison 1997/98 © imago

Als Aktiver kamen sie am häufigsten für Kickers Offenbach zum Einsatz, absolvierten dort zwischen 1997 und 2000 insgesamt 106 Pflichtspiele, davon 28 in der 2. Liga. Wie eng ist die Verbindung noch?

Von meinen ehemaligen Mitspielern aus dieser Zeit habe ich den intensivsten Kontakt zu Stefan Dolzer. In der jüngeren Vergangenheit war ich zweimal bei OFC-Heimspielen – in der Traditionsloge von Achim Enders. Das ist eine nette Sache. Wenn man aber – wie ich – selbst Trainer ist und nicht unbedingt in der Nähe wohnt, ist es etwas schwierig, häufiger zu den Spielen zu kommen.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Mai 1998?

Das war eine sehr intensive Phase. Wir mussten am letzten Spieltag gegen den direkten Konkurrenten Borussia Fulda gewinnen, um Zweiter zu werden und in die Aufstiegsrunde zu kommen. Es war Donnerstagnachmittag und der „Bersch“ mit 22 000 Zuschauern ausverkauft. Wir lagen 0:1 zurück, haben jedoch durch ein Tor von Oli Roth sowie einen späten Doppelpack von Oli Speth noch 3:1 gewonnen. Nur drei Tage später mussten wir im ersten Spiel der Aufstiegsrunde bei den Sportfreunden Siegen antreten. Auf einem riesengroßen Platz bei enormer Hitze. Die waren uns überlegen. Wir hatten keine Chance.

Der OFC verlor in Siegen 0:4. Die Chance auf den Durchmarsch in die 2. Liga war somit quasi bereits nach der ersten Partie der Aufstiegsrunde dahin. Wie ging man damit um?

Wenn man zu Hause am letzten Spieltag die Teilnahmen an der Aufstiegsrunde klar macht, freut man sich natürlich. Es war jedoch wirklich schwierig, sich danach sofort wieder auf die nächste Aufgabe zu fokussieren. Wir mussten ja nur drei Tage später wieder ran und sind dann auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Nach der Niederlage in Siegen wussten wir, dass es vorbei war.

Die Partie in Siegen ist vielen OFC-Fans auch deshalb noch in Erinnerung, weil die Kickers überraschend in „brasilianischem“ Outfit antraten: Gelbes Trikot, blaue Hose, weiße Stutzen. Wie kam es dazu?

Den Grund kenne ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich weiß lediglich, dass die Sportfreunde Siegen ebenso wie wir rot-weiße Heimtrikots hatten – und wir auch mal in Grün angetreten sind. Auf jeden Fall haben wir danach nie mehr in gelben Trikots und blauen Hosen gespielt.

Wie haben die OFC-Fans auf die Pleite in Siegen reagiert?

Sie waren enttäuscht, jedoch nicht frustriert. Wir wurden von ihnen die gesamte Saison über fantastisch unterstützt. Es war ja die Saison mit dem legendären Heimspiel gegen den FC Augsburg – mit Dieter Eckstein. Wir hatten als Aufsteiger bis dahin kein Spiel verloren. Am Ende hieß es 0:5. Auch wenn es sich blöd anhört: Wir hatten ein super Spiel gemacht, Augsburg erzielte jedoch die Tore. Nach dem Spiel standen wir vor unseren Fans und sie haben uns gefeiert. Irre.

Nach der klaren Niederlage in Siegen stand in der Aufstiegsrunde noch das fast bedeutungslose Spiel gegen TeBe Berlin an...

Das war eine Millionentruppe mit vielen Stars – und Hermann Gerland als Trainer. Die sind damals ungeschlagen Meister in ihrer Liga geworden, scheiterten dann jedoch in der Qualifikation an Hannover 96 und mussten in die Aufstiegsrunde, in der sie sich letztlich auch durchgesetzt haben. Wir lagen gegen sie zu Hause schnell mit 0:2 zurück. Durch Günther Maier gelang noch der Anschluss, mehr aber leider nicht.

Inwiefern diente die Enttäuschung als Motivation für die kommende Saison, an deren Ende sich die Kickers in der Aufstiegsrunde gegen Trier und Osnabrück durchsetzten?

Das kommt natürlich hinzu. Wenn man weiß, was alles möglich ist, spornt einen das an. Wir waren jedoch auch als Mannschaft weiter zusammengewachsen.

Aktuell ist der OFC wieder Regionalligist, im zehnten Jahr in Folge und mit dem Unterschied, dass diese nicht mehr dritt-, sondern viertklassig ist. Wie bewerten Sie die Situation?

Es ist unheimlich schwierig, aus einer Liga herauszukommen, in der sich viele Traditionsvereine tummeln und aus der immer nur einer aufsteigt. Zu unserer Zeit kam der Vizemeister noch in die Aufstiegsrunde. Heute benötigt man einen sehr langen Atem, eine gewisse Zuversicht und Ruhe im Umfeld. Der finanzielle Aspekt ist auch nicht unerheblich. Es stellt sich als Verein die Frage: Wie lange kann ich das aushalten? Man kann nicht alles auf eine Saison setzen. In den seltensten Fällen hat man auf Anhieb eine Truppe zusammen, die es schafft, Meister zu werden.

Das Gespräch führte Christian Düncher

SF Siegen - Kickers Offenbach 0:4

SF Siegen: Kellermann; Scherzer, Wolf, Kuci, Germann, Cirba (74. Kreuz), Klein (85. Jonjic), Scholtysik, Schönberger, Saric (74. Hyza), Ziga - Trainer: Peter

OFC: Keffel - Gramminger (69. Dama), Dolzer, Meyer - Maier, Kastner, Speth (64. Methfessel), Simon, Hartmann - Winter (64. Ispir), Roth - Trainer: Boysen

SR: Steinborn - Z.: 19000 - Tore: 1:0 Ziga (42.), 2:0 Saric (56.), 3:0 Scholtysik (81.), 4:0 Ziga (86.)

Kickers Offenbach - TeBe Berlin 1:2

OFC: Keffel (46. Rohrbach) - Gramminger, Dolzer, Meyer - Maier, Kastner, Speth, Simon, Hartmann - Winter (78. Kruse), Roth (72. Ispir) - Trainer: Boysen

TeBe: Curko - Melzig, Raickovic, Dermech - Can, Namdar (37. Isa/68. Lünsmann), Copado, Akrapovic, Szewczyk (87. Kocak) - Adler, Aric - Trainer Gerland

SR: Fandel - Z.: 13000 - Tore: 0:1 Copado (17.), 0:2 Namdar (21.) 1:2 Maier (38.)

TeBe Berlin - SF Siegen 2:0

SR: Zerr - Z.: 8000 - Tore: 1:0 Curko (62./FE), 2:0 Namdar (65.)

Schönster Tag im Erlebnispark Bieberer Berg

„Wenn der Erlebnispark Bieberer Berg seine Tore öffnet, ist ein Spektakel garantiert“, schrieb unsere Zeitung vor 25 Jahren. Der OFC mischte als Aufsteiger die Regionalliga Süd auf, hatte schon vor dem letzten Spieltag einen Schnitt von über 12000 Zuschauern. Selbst in der 2. Liga wurde das nur von vier Teams übertroffen. Zum finalen Punktspiel gegen Borussia Fulda, zugleich das Verfolgerduell, kamen 22000 Fans auf den Bieberer Berg. Als der OFC das Spiel gewonnen und Platz zwei erobert hatte, stürmten tausende Anhänger den Rasen. Gefeiert wurde bis in die Morgenstunden. „Bei dieser fantastischen Stimmung sind alle Dämme gebrochen. Ich hatte Tränen in den Augen. Das war der schönste Tag in diesem Stadion in den letzten zehn Jahren“, sagte Vizepräsident Wilfried Kohls. (cd)

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