Als die Hanauer ihren Rudi feierten: Vor 20 Jahren wurde Rudi Völler Hanauer Ehrenbürger

Rudi Völler hat viele individuelle Auszeichnungen bekommen. 2000 wurde ihm das Silberne Lorbeerblatt verliehen, 2008 der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Die meisten Ehrungen wurden ihm 2002 zuteil: Bundesverdienstkreuz, Bambi und die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Hanau.
Hanau – Proppenvoll war der Hanauer Marktplatz am 30. August 2002. Über 5000 Menschen waren gekommen, um Rudi Völler zuzujubeln. Gerade erst war der Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft als Vizeweltmeister aus Japan und Südkorea zurückgekehrt, ernannte ihn seine Heimatstadt zum Ehrenbürger. Es war ein grandioser Rudi-Völler-Tag in Hanau - Sonne, Prominenz und Fernsehkameras inklusive.
„Seine sportlichen Erfolge und die damit verbundene weltweite Popularität bringt Rudolf Völler in uneigennütziger Weise und großer Bescheidenheit in seinen Einsatz für Jugendliche und in sein gesamtes soziales Engagement ein“, stand damals in der Begründung, die dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung beilag.

„Ich habe Rudi Völler nicht als Ehrenbürger vorgeschlagen, weil er als Vizeweltmeister zurückkam. Mir ging es ausschließlich um seine Persönlichkeit. Wie er in seiner Karriere menschlich und sich selbst treu geblieben ist, hat mir viel Respekt abgerungen“, sagt die damalige Oberbürgermeisterin Margret Härtel rückblickend. Gegen einige Widerstände habe sie sich durchsetzen müssen, nicht jeder Hanauer Politiker fand Härtels Idee gut. Die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung stimmte dem Antrag der OB aber zu. Härtel informierte Völler. „Er sagte mir damals, er sei nicht mehr so populär, da würden nicht mehr so viele Interesse dran haben“, muss Härtel heute schmunzeln. „Als ich ihm gesagt habe, da kommen 5000 bis 6000 Leute, hat er mich ausgelacht.“
Härtel freut sich im Nachhinein noch über einen anderen Coup, denn sowohl Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) als auch der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) standen in Hanau auf der Matte: „Ich habe sie gegeneinander ausgespielt. Beide hatten nämlich abgesagt. Ich habe Schily angerufen, ihm erzählt, dass er reden darf. Weil wenige Wochen später Bundestagswahl war, hat er doch zugesagt. Da habe ich meinen Freund Bouffier angerufen und ihm gesagt, er könne doch dem Schily nicht das ganze Feld überlassen.“ Am Ende waren beide da und wurden bei ihren Ansprachen von tausenden Hanauern ausgebuht. Denn die wollten nur ihren Rudi sehen und hören.

Die Rudi-Fans auf dem Marktplatz genossen Freibier und kostenlose Cola und Limo, das Kaufhof-Gebäude war mit einem überdimensionalen gelben Plakat mit schwarzem Schriftzug „Rudi Danke!“ verhüllt. Für die Farbkombination war die Deutsche Post verantwortlich. Die Agentur Metropress, die den Rudi-Tag auf die Beine gestellt hatte, gewann das Unternehmen als Sponsor. „Der Vorstand der Deutschen Post hat damals gesagt: „’Der Rudi hat das verdient, weil er mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist’“, erinnert sich Metropress-Gründer Hans-Jürgen Müller.
Bevor Völler auf dem Rathausbalkon gefeiert wurde, hatte der Weltmeister von 1990 die Stätte besucht, an der seine Weltkarriere begann. Im Jahr 2001 hatten die Hanauer Stadtverordneten entschieden, das Sportgelände des TSV 1860 in Rudi-Völler-Sportanlage umzubenennen. Das wurde ebenfalls an diesem 30. August 2002 vollzogen. Rudi Völler selbst enthüllte im Beisein zahlreicher Sechziger und früherer Wegbegleiter den Schriftzug, der seither am Sportgelände prangt und den Besuchern zeigt: Hier spielte früher einer der besten deutschen Fußballer aller Zeiten.

Am Abend beim Festakt im Schloss Philippsruhe bekam Völler ein großes Öl-Gemälde des Hanauer Künstlers Joerg Eyfferth überreicht. Darauf zu sehen: ein Obst-Stillleben. In der Obstschale spiegeln sich das Schloss Philippsruhe und der HANAUER ANZEIGER. Auf dem Titelblatt der Zeitung: natürlich ein Bild vom neuen Ehrenbürger.
Außerdem verteilte Härtel Blumen in den Farben der Stadt an Rudis Eltern Ilse und Kurt sowie Ehefrau Sabrina, die den „turbulenten Tag mit einem Lächeln auf den Lippen bravourös gemeistert hatte“, wie der HA damals berichtete. In seiner Dankesrede freute sich Völler darüber, dass er seiner aus Rom stammenden Frau endlich einmal etwas mehr von seiner Heimatstadt habe zeigen können. „Da hat sie endlich einmal feststellen können, dass es außer dem Kolosseum auch noch andere tolle Sachen gibt“, wurde er im damaligen HA zitiert.

Auch im Weißen Saal des Schlosses am Mikrofon: Reiner Calmund. Der damalige Manager von Bayer 04 Leverkusen, der Völler als Spieler zurück in die Bundesliga geholt hatte und später zum Sportdirektor machte, brachte den Ablaufplan gehörig durcheinander. „Herr Calmund hatte sechs Minuten - daraus sind 21 geworden“, erinnert sich Müller. Calli schwärmte: „Sagenhaft“, sei das auf dem Marktplatz gewesen. „Das zeige, dass der Weltbürger Rudi auf jeden Fall immer eine Heimat habe, einen Platz, wo er immer wieder hin zurückkommen könne.“ Besonders lobende Worte fand der damalige Bayer-Funktionär für die mittlerweile verstorbenen Ilse und Kurt Völler, „die ihm so viel Nestwärme und Fundament mitgegeben haben, dass er heute so ist, wie er ist: bodenständig, nicht abgehoben, einer von der Basis.“
Und Calmund lobte in Richtung Kurt Völler, der sich jahrzehntelang ehrenamtlich beim TSV 1860 Hanau engagiert hatte, weiter: Wenn einer 25 Jahre lang Jugendleiter gewesen sei, dann sei dies „die beste Voraussetzung für das Heranwachsen eines Weltsportlers“. Er sei bei vielen Ehrungen dabei gewesen, auch als die Nationalmannschaft nach dem Vize-WM-Titel beim Bundespräsidenten geehrt wurde. „Aber das heute hier in Hanau war das Größte“, so Calmund. Härtel sagt auch viele Jahre später noch: „Rudi ist Mensch geblieben - bodenständig, geradlinig und aufrichtig. Er ist Hanauer geblieben!“ Ein Hanauer, der sich von der Lamboystraße aus aufmachte, die große Fußballwelt zu erobern. (Von Thorsten Jung)