„Ich habe mich gefühlt wie Rocky“

Vor 25 Jahren wechselte Jana Grenzdörfer zum Judoclub Samurai Offenbach und wurde auf Anhieb Deutsche Meisterin. Es sollte nicht der einzige Erfolg bleiben.
Offenbach – Im März 1996 hat die beeindruckende Karriere einer Judokämpferin in Offenbach begonnen: Jana Grenzdörfer bestritt damals ihre ersten Turniere für den JC Samurai und startete gleich durch: Platz eins bei der Südwestdeutschen Meisterschaft der Frauen, Platz drei bei der Süddeutschen Meisterschaft. Damit gehörte sie zu den besten zehn deutschen Kämpferinnen ihrer Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm – und das mit gerade mal 17 Jahren.
„Das war schon eine tolle Zeit damals“, erinnert sich die heute 42-Jährige. Erst ein halbes Jahr zuvor war die Frankfurterin, die erst 1992 im Alter von 13 Jahren mit Judo begonnen hatte, nach Offenbach gewechselt. „Meine Trainerin wusste nicht mehr weiter und hat mir Francesco als einen der besten Trainer in Deutschland empfohlen“, sagt sie im Rückblick: „Schon ein Jahr zuvor wollte ich deutsche U16-Meisterin werden. Das hatte aber nicht geklappt, da war ich etwas übermotiviert.“ „Der Druck war aber auch sehr groß, eigentlich unnötig“, ergänzt Trainer Francesco Liotta, heute ihr Ehemann: „Wir haben dann den Fokus darauf gelegt, viele kleine Dinge zu verbessern, die Technik, neue Würfe zu integrieren, die Kraftwerte zu steigern, die Sprint- und Laufleistung zu verbessern.“
Beide einigten sich auf ein extrem aufwendiges Training. Fünf bis sechs Einheiten pro Woche. „Kampf- und Trainingsanalyse noch mit Videokassetten, Trainingstagebücher. Unser Aufwand war schon extrem. Aber wir haben es gerne gemacht, weil wir das große Potenzial gesehen haben. Und es hat sich ja auch ausgezahlt“, sagt Liotta.
Die Deutsche Meisterschaft der Frauen Ende März 1996 endete mit Platz sieben, was Grenzdörfer damals trotz ihrer erst 17 Jahre als Enttäuschung empfand. Aber so wuchs nur noch die Motivation für die U19-Meisterschaften im Herbst. Und da holte sich Grenzdörfer ihren ersten großen Titel. „Wir waren wirklich gut vorbereitet und dann lief es auch“, sagt Liotta.
Und dieser Erfolg war kein Ausreißer. 1997 folgte eine Vizemeisterschaft in der U19, 1998 der zweite Deutsche Meistertitel in der neuen Altersklasse U20, gekrönt von der Bronzemedaille bei der U20-Weltmeisterschaft in Cali, Kolumbien. „Bei der Weihnachtsfeier 1997 haben wir gesagt, das nächste Ziel ist jetzt eine WM-Medaille. Da haben uns noch alle ausgelacht“, erinnert sich Liotta.
Und die Basis für all diese Erfolge wurde gelegt in der Sporthalle der Offenbacher Humboldtschule. „Die war alt und miefig. Aber die hatte irgendwie auch Flair. Und sie war halt unser Zentrum“, sagt Jana Liotta, „ich habe mich ein bisschen gefühlt wie Rocky Balboa in den Boxer-Filmen. Der hat im Schlachthof trainiert und wir in dieser alten Halle.“ Als der Bundestrainer einmal zu Besuch kam, habe er gefragt, wo denn jetzt die Trainingshalle sei, wo der Kraftraum, der Ruheraum, die Sauna. Aber trotzdem war der Erfolg in Offenbach.
1998 und 2005 wurde Grenzdörfer jeweils deutsche Vizemeisterin der Frauen, viermal landete sie auf Rang drei. Weil es in Offenbach noch nicht genügend starke Kämpferinnen gab, um eine Mannschaft zu bilden, trat sie zunächst für Wiesbaden und Rüsselsheim in der Bundesliga an. Später, als es mehr gut ausgebildete Athletinnen beim JC Samurai gab, kämpfte sie noch drei Jahre für ihren Verein in der 2. Bundesliga. Und heute – bis zum Beginn des pandemiebedingten Lockdowns – trainiert Jana Liotta selbst die Jüngsten beim JC Samurai, darunter ihren eigenen Sohn. Und treibt das eine oder andere spannende Projekt voran. Darunter ein Mut-Workshop für Mädchen. Denn Judo war, ist und bleibt ein wichtiger Teil im Leben der Liottas.
Von Stefan Moritz