„Spielen in der Hessenliga am Limit“: Hanau 93-Trainer Kreso Ljubicic im Interview

Beim Hessenligisten FC Hanau 93 ist Spielertrainer Kreso Ljubicic in kurzer Zeit bestens angekommen. Im Interview spricht der Ex-Profi und Vater zweier Söhne über Ambitionen, Derbys in der Hessenliga und sein Comeback auf dem Platz.
Sie sind seit 2021 in Hanau, wurden als spielender Co-Trainer geholt, nach den Abschieden von Michael Fink und Ioannis Takidis dann schnell zum Trainer. Wie bewerten Sie Ihre bisherige Zeit?
Die Anfangszeit war hart, die Mannschaft war nach der Corona-Pause wirklich unfit. Ich kam zum ersten Spieltag aus dem Urlaub zurück und habe die Mansnchaft übernommen, die in keinem guten Zustand war. Wir haben dann während der Runde eine Vorbereitung gemacht, die auch was gebracht hat. Kompliment an die Mannschaft, den Abstieg konnten wir vermeiden. Auf die gute Abstiegsrunde haben wir aufgebaut. In dieser Saison haben wir Punkte liegen gelassen, aber auch wegen der Verletztenliste. Du kannst Spieler ein, zwei Spiele ersetzen, aber nicht auf die Dauer. Unter den Umständen fällt das Fazit absolut positiv aus, auch wenn man als Trainer immer mehr will.
Durch Ihre eigene Verletzung sind sie mehr Trainer als Spieler. Wie passt Ihnen diese Rolle?
Ich habe am Anfang kämpfen müssen, weil es was komplett anderes ist. Jetzt denkst du komplett anders. Als Spieler kommst du zum Training und bist auf dem Platz, gehst duschen, gehst nach Hause. Als Trainer hast du die Spielvorbereitung, Trainingsvorbereitung, Gespräche mit den Spielern. Das ist ein riesen Zeitaufwand, was mir aber mega Spaß macht. Ich liebe die Rolle, bin wirklich gerne Trainer und auch gerne bei Hanau 93. Mit dem Verein habe ich mich in kurzer Zeit komplett identifiziert.
Was würde denn der Spieler Ljubicic über den Trainer Ljubicic sagen? Kämen beide miteinander aus?
Der Spieler Ljubicic war kein einfacher Spieler und hatte oft einen eigenen Kopf. Ich war als Spieler direkt, auch bei Sachen, die mir nicht gepasst haben. Wenn man meine früheren Trainer fragen würde, würden die sagen, dass ich kein Einfacher war. Ich glaube aber, dass der Spieler Ljubicic und der Trainer Ljubicic gut auskommen würden, weil das Spiel, was ich spielen lasse als Trainer, genau das widerspiegelt, was ich als Spieler gerne gespielt habe. Ich liebe gepflegten Fußball, will attackieren, möchte die Mannschaft sein, die agiert und nicht reagiert.
Sie sind 34, ein junger Trainer. Welche Vorteile hat das und welche Nachteile?
Ein Vorteil ist, dass ich die Jugendsprache spreche, die man in der Kabine mitbekommt. Heute machen die jungen Spieler die Musik in der Kabine. Ich habe, glaube ich, kein einziges Mal den Mund aufgemacht, bei meinem ersten Jahr bei den Profis von Eintracht Frankfurt. Das hat sich total geändert und ich denke, dass ich da über meine Art gut an die Spieler rankomme. Auf der anderen Seite sind das alles meine ersten Erfahrungen. Ich lerne jeden Tag dazu, bei jedem Training, jedem Spiel, jeder Ansprache.
Haben Sie konkrete Pläne für Ihre Trainerkarriere?
Ich wusste schon immer, dass ich früher oder später Trainer werden möchte, habe in meiner Laufbahn immer Trainingseinheiten mitgeschrieben. Aber ich lasse alles auf mich zukommen. Ich habe bei Hanau 93 noch Vertrag bis Sommer 2024, dann hätte ich drei Jahre hinter mir, wenn sie mich nicht vorher rausschmeißen. Das Trainergeschäft ist schnell. Ich kann mir auch vorstellen, über 2024 hinaus hierzubleiben.
Würden Sie heute einen Trainerjob eines Profivereins annehmen?
Mir geht es im Job zu gut, als dass ich auf die Karte, nur als Trainer zu arbeiten, setzen würde. Ich habe mir schon oft Gedanken über Tag X gemacht, wenn ein Angebot kommen würde. Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden würde. Als Verantwortlicher gegenüber Familie und Kindern ist der Job sicherer. Ich glaube, dass man sowas erst entscheiden kann, wenn man es auf dem Tisch vorliegen hat. Stand jetzt würde ich meine Arbeit nicht aufgeben.
Sie machen gerade die A-Lizenz in Kroatien. Bilden sich also schon weiter und wollen dazulernen.
Ich hatte viele Trainer in meiner Karriere, im Profibereich, von jedem schaut man sich was ab, auch im Amateurbereich. Am besten man pickt das Beste von jedem raus. Am Ende musst du dann für deinen Spielstil stehen. Im Mai oder Juni bin ich mit der A-Lizenz fertig, dann werde ich mich auch für den Fußballlehrer bewerben.
Sie sind sehr ehrgeizig, wollen immer den größtmöglichen Erfolg. Da hat Sie auch das Aus im Kreispokal sehr geärgert.
Überall, wo ich teilnehme, will ich gewinnen. Das war im Kreispokal so, bei den Hallenmasters auch, wo ich mega sauer war, da sind wir mit der ersten Garde hingefahren. Ich wollte unbedingt in den Hessenpokal. Ich habe bei Alzenau erlebt, wie es ist im Achtelfinale, wenn die Topteams kommen. Wir haben zweimal zu Hause vor 3000, 4000 Zuschauern gegen Kickers Offenbach gespielt. Das sind Highlight-Spiele, die du dir über den Hessenpokal holen kannst. Das ärgert mich sehr, dass wir jetzt schon das dritte Mal nicht den Pokal gewonnen haben.
Gibt es in dieser Saison noch sportliche Ziele, vielleicht auch, Dinge auszuprobieren?
Mein Ziel für die Saison war, so lange wie möglich oben mitzuspielen. Die letzten beiden Niederlagen haben uns da zurückgeworfen. Ich möchte nicht am Ende Zwölfter werden, wir werden nicht um die goldene Ananas spielen. Taktisch würde ich gerne experimentieren, aber die Mannschaft stellt sich von alleine auf. Wir sind teilweise zehn Leute im Training bei einem Kader von 20 Leuten. Wenn wir im Abstiegskampf stecken würden, hätte ich in der Situation richtig Kopfschmerzen.
Die zweite Mannschaft steckt in der Kreisoberliga im Abstiegskampf. Kann Sie auf mehr Unterstützung setzen?
Die zweite Mannschaft werden wir auf alle Fälle unterstützen, weil sie nicht absteigen darf, sie muss in der Kreisoberliga bleiben.
Sie sind in Hanau geboren, kennen sich bestens aus. Wie bewerten Sie den Fußballstandort Hanau?
Ich wünsche mir für so eine Stadt wie Hanau, dass da noch mehr kommt. Ich hab das schon gesagt, als ich gekommen bin: Ich glaube, dass der Verein ein schlafender Riese ist. Hanau 93 ist ein Verein, der weckt Interesse. Aber das sieht man nicht in der Resonanz der Zuschauer. Das ist aber nicht nur bei uns der Fall.
Stadtrivale 1960 Hanau steht vor dem Aufstieg in die Hessenliga. Ein Problem oder eine neue Herausforderung?
Ich finde es gut. Ich freue mich richtig auf die Derbys nächstes Jahr, weil ich mir sicher bin, dass 1960 aufsteigt. Für uns ist das ein Konkurrent in der Stadt, den du hinter dir lassen willst. Für die Stadt Hanau ist das etwas sehr reizvolles. Mein Wunsch wäre ein Heimspiel am 1. Spieltag gegen 1960 Hanau vor 1000 Zuschauern.
Der Kampf um die Spieler dürfte zunehmen.
Die Spieler, die für uns infrage kommen, werden genauso für 1960 infrage kommen. Da müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Das Gute ist, dass wir Planungssicherheit haben, seit drei Wochen planen können. Ein Konkurrent mehr, aber Konkurrenz belebt das Geschäft.
Hanau 93 hat viele Fans, aber auch viele Kritiker. Können Sie das nachvollziehen?
Von dem, was ich erlebt habe, seitdem ich hier Trainer bin, kriegt der Verein von mir eine absolut positive Note. Ich spüre persönlich keine Kritiker. Die Fans leben für den Verein. Gerade weil der Verein diese Fans hat – das hat in der Liga keiner so wie wir – macht es das noch interessanter, für einen solchen Traditionsverein zu spielen. Ich kann über den Verein nichts Schlechtes sagen. Da können die Kritiker sagen, was sie wollen, mich lässt das kalt.
Die ausbleibende Jahreshauptversammlung sorgt bei vielen Unterstützern für Unmut. Ist das ein Thema in der Kabine?
Bei der Mannschaft ist das absolut kein Thema. Bei mir persönlich auch nicht. Ich kann Einfluss nehmen auf das, was auf dem Platz passiert. Daran kann ich gemessen werden. Was im Hintergrund abläuft, da bin ich nicht involviert.
An der Infrastruktur krankt es. Es gibt keinen Kunstrasenplatz, wenige Jugendmannschaften. Kann man unter diesen Voraussetzungen das hohe sportliche Niveau halten?
Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass du mit diesen Voraussetzungen in der Hessenliga am Limit spielst. Hanau 93 braucht eine Jugend, braucht einen Kunstrasenplatz. Nicht wegen der ersten oder zweiten Mannschaft, sondern für die Jugend. Von November bis März konnten wir nicht trainieren. So kannst du Jugendspieler, die zum Verein kommen wollen, nicht bekommen. Dörnigheim hat Kunstrasenplätze, Erlensee auch, Bischofsheim, Hochstadt. Da hast du wenig Möglichkeiten, mitzuhalten. Der Verein muss den nächsten Schritt gehen. Das ist auch kein Jammern, das ist Fakt. Wenn der Verein einen Kunstrasen kriegt, wird die Jugend explodieren hier.
Das Wort Regionalliga ist in Hanau schon öfter gefallen, es gab auch mal einen Dreijahresplan. Ist das für Sie ein realistisches Ziel?
Wenn sich die Infrastruktur entwickeln würde, wie man sich das wünscht, könnte das ein Ziel sein in den nächsten Jahren. Ich würde schon gerne mal auf Platz eins oder zwei stehen im März und April. Um einfach zu gucken, was passiert, weil dann muss was passieren. Entweder es geht nicht oder man sagt, man wagt es. Aktuell kann man da nur träumen, aber ich träume. Es ist schwierig, aus der Hessenliga aufzusteigen, wir müssen da erstmal kleinere Brötchen backen und schauen, dass wir eine Saison spielen wie diese, das wird nächstes Jahr nicht einfacher. Ich glaube, in den nächsten Jahren ist das nichts realistisches.
Schalten Sie jemals vom Fußball ab?
Schwierig. Wenn wir am Samstag nicht gewinnen, ist mein Wochenende im Eimer. Fußball wird mich mein ganzes Leben beschäftigen, da werde ich nie abschalten können. Auch wenn ich kein Trainer bin, werde ich als Zuschauer kommen. Der Fußball ist etwas, was mich glücklich macht.
An manchen Tagen will man aber doch bestimmt mal nix mit Fußball am Hut haben.
Als Spieler kannst du abschalten. Als Trainer geht das gar nicht, weil immer was ist. Da ruft ein Spieler an, es gibt Spielergespräche, Termine mit dem Vorstand. Das Pensum, was man hat als Trainer in der Hessenliga, ist eigentlich fast ein Fulltime-Job. Ich würde es aber nicht machen, wenn es mir keinen Spaß machen würde.
Sie lassen sich jetzt zum sechsten Mal am gleichen Knie operieren, um wieder auf dem Platz stehen zu können. Kann man das einem Außenstehenden überhaupt erklären?
Das ist die Liebe zum Sport. Wenn die Operation erfolgreich sein sollte, können Sie darauf wetten, dass ich, wenn alles gut läuft, im August wieder auf dem Platz stehen werden. Ich weiß, was auf mich zukommt, kenne mich mit der Reha aus, bin da schon Knieexperte. Ich weiß, dass ein schwerer Weg auf mich wartet. In der Pause werde ich ackern wie ein Verrückter. Ich will mir mit 45 nicht sagen, hättest du es damals mal gemacht. Ich bin Trainer ja, aber bei mir kitzelt es noch. Wenn ich noch Fußball spielen kann, werde ich es tun.