Wettlauf mit Wohlfühlfaktor

Egelsbach – Sohn Eric ist bereit, kann sprechen. Tochter Antonia auch. Nur Vater Holger Jayme nicht ganz. „Ich brauch’ noch nen Moment“, sagt er, und muss sich erst mal an den Metallpfosten lehnen, der sich um die rote Tartanbahn im Stadion am Berliner Platz zieht. Gerade hat der 50-Jährige den Koberstädter Waldmarathon der SG Egelsbach hinter sich gebracht, über die Halbdistanz.
Gut zwei Stunden vorher war es für ihn und fast 300 andere losgegangen. Um 9.50 Uhr ertönte der Startschuss. Zum ersten Mal seit 2018 entließ der Knall die Läufer auf den 21,1-Kilometer-Kurs des Traditionslaufs. Wegen einer kreuzenden Fahrraddemo folgten eine halbe Stunde verspätet auch die knapp 200 10-Kilometer-Läufer.
Der Streckenverlauf durch die Koberstadt, das Waldgebiet zwischen Darmstadt und Egelsbach, fordert die Athleten jedes Jahr aufs Neue. Co-Organisator Frank Richter hatte den Startern zwar noch durchs Mikrofon mit auf den Weg gegeben: „Die letzten vier Kilometer geht es bergab“, bei Kilometer fünf, zehn und 16 warteten Verpflegungsstellen.
Und trotzdem: Nur die ersten und letzten beiden Kilometer verlaufen über Asphalt. Der Zieleinlauf führt entlang der Kunststoffbahn im Stadion. Dazwischen schlängelt sich die Strecke auf Waldwegen, Schotterabschnitte inklusive. Auch einige Hügel gilt es zu beachten. Das Profil listet 100 Höhenmeter pro 10 Kilometer. „Dass es lange hochgeht, fand ich ziemlich anstrengend“, sagt Jaymes Tochter Antonia. Zusammen mit ihrer Familie tritt sie für den Langener Lauftreff an. „Aber die Streckenverpflegung war gut“, befindet Bruder Eric.
Die schnellsten Läufer an diesem Tag kennen kein Halten. Mit der Startnummer 377 beendete Aidan McSwiney schon nach 1:14,41 Stunden (brutto) den Halbmarathon. Bis der nächste Konkurrent die Ziellinie überquerte, vergehen mehrere Minuten. Sogar den Streckenrekord von 1:10 Stunden verfehlt der gebürtige Ire, in Egelsbach für Schott Mainz am Start, nur knapp. „Ich habe erst vor einer Woche gesehen, dass das Rennen stattfindet und mich spontan angemeldet“, berichtet er: „Für mich war das der letzte lange Lauf im Trainingsblock. In zwei Wochen geht es zum Münster Marathon.“
Den Gesamtsieg bei den Frauen sicherte sich Franziska Baist von der SGK Bad Homburg in 1:25,47 Stunden. Auch Baist zeigte sich zufrieden mit ihrer Leistung. „Den Darmstädter Wald kenne ich zwar aus dem Training. Aber den Koberstädter bin ich vorher noch nicht gelaufen. Es ist keine einfache Strecke“, sagte sie. Perfekter Warm-Up für den anstehenden Frankfurt Marathon also.
Nach 1:39,58 Stunden läuft Eric Jayme ins Stadion ein. Seine Familie? „Die kommen zwischen 2:00 und 2:10 Stunden ins Ziel“, ist er sich sicher. Und behält recht: Antonia folgt nach 2:07 Stunden, Vater Holger nach 2:10 Stunden. Nach einer Durchschnauf-Pause ist auch Holger Jayme gesprächsbereit. „Die letzten Kilometer haben ganz schön weh getan in den Muskeln“, sagt er und lacht. Joggen, das ist für ihn mittlerweile Zeit, die er mit seinen Kindern verbringen kann. „Wenn es möglich ist, dann laufen wir zusammen“, sagt Jayme. „Letztes Jahr haben wir schon die 10-Kilometer-Strecke mitgemacht. Für uns ist das wie ein Familienlauf.“
Wettlauf mit Wohlfühlfaktor, das würde auch Frank Richter unterschreiben. „Wir sind in erster Linie ein Wettkampf“, sagt der Co-Organisator. Aber einer, der auch Platz für Läufer wie Kalli Flach, 84 Jahre, bietet und auf Gemeinschaftsgefühl setzt.
Von Julius Fastnacht