Mindestlohn, Kindergrundsicherung, Soli und Co.: Wer profitiert am meisten von den Plänen der Ampel-Koalition?
Die Ampel-Koalition steht und bringt auch finanzielle Entlastungen. Am meisten profitieren Geringverdiener und Familien von den geplanten Maßnahmen.
Berlin - Knapp zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl 2021 und vor Weihnachten - wie von Olaf Scholz versprochen - steht die erste Ampel-Regierung auf Bundesebene. Vertreter von SPD, Grünen und FDP unterzeichneten am Dienstagvormittag den Koalitionsvertrag* und legten damit endgültig die Grundlage für die kommenden vier Jahre unter Kanzler Scholz, der am Mittwoch vereidigt werden soll.
In der Ampel-Koalition finden sich somit drei Parteien wieder, die mit unterschiedlichen Forderungen Wahlkampf gemacht hatten. So forderten die Grünen unter anderem eine höhere Besteuerung von Besserverdienern, während die FDP steuerliche Entlastung in allen Einkommensschichten auf den Weg bringen wollte. Diese Voraussetzungen werfen die Frage auf, welche gesellschaftlichen Schichten finanziell am meisten von den Plänen der neuen Ampel-Regierung profitieren werden. Eine Frage, mit der sich das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Süddeutschen Zeitung beschäftigt hat.
Ampel-Koalition: Geringverdiener und Familien profitieren finanziell am meisten
Das Ergebnis: Vor allem Geringverdiener und Familien profitieren finanziell am meisten von den Plänen der Ampel-Koalition. So können Bürger mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von unter 20.000 Euro mit einer durchschnittlichen Erhöhung ihres Einkommens um 4,6 Prozent (760 Euro) rechnen. Bei einem Jahreseinkommen von unter 10.000 Euro sind es sogar 6,2 Prozent. Schlechter gestellt, wird durch die Pläne der Ampel jedoch keine Einkommensgruppe.
Bürger mit einem jährlichen Einkommen zwischen 20.000 und 80.000 Euro können ebenfalls mit Mehreinnahmen zwischen 690 und 1290 Euro rechnen. Ein Zuwachs zwischen 2,6 und 3,3 Prozent je nach Einkommensgruppe. Selbst Topverdiener mit jährlichem Einkommen von bis zu 2 Millionen Euro dürfen sich über Erleichterungen freuen. Diese fallen prozentual mit 0,3 Prozent jedoch deutlich geringer aus.
Ampel-Koalition: Das sind die geplanten Änderungen bei Mindestlohn und Hartz IV
Als zentraler Punkt für die finanziellen Vorteile bei Geringverdiener gilt die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von 9,60 auf zwölf Euro die Stunde. Eine Maßnahme, die vor allem in den Programmen von SPD und Grünen hervorgehoben und nun auch im Koalitionsvertrag festgesetzt wurde. Durch diese Maßnahme sollen zehn Millionen Bürger künftig besser bezahlt werden.
Auch das als Hartz IV bekannte Arbeitslosengeld II soll unter der Ampel-Regierung reformiert werden. Das neu geschaffene Bürgergeld* soll die Würde des Einzelnen mehr in den Mittelpunkt rücken. Dadurch können Hartz-IV-Empfänger in Zukunft mit einem erhöhten Regelsatz* pro Monat rechen und sollen ein Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro erhalten.
Kindergrundsicherung als zentraler Punkt: Familien profitieren von Ampel-Plänen am meisten
Neben dem Mindestlohn hat die Kindergrundsicherung* nach Berechnung des ZEW die größte Auswirkung auf Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen. Diese zählte vor allem bei den Grünen zu den zentralen Wahlkampfthemen. Das zeigt sich vor allem an einer Gegenüberstellung. Das jährliche Durchschnittseinkommen von Paaren ohne Kinder soll sich unter der Ampel-Regierung um 690 Euro erhöhen. Paare mit Kindern können jedoch mit einer Erhöhung um 3010 Euro rechnen. Auch alleinerziehende Elternteile profitieren von der Kindergrundsicherung deutlich im Vergleich zu Single-Haushalten.
Das ZEW benutzte für seine Berechnung hierbei die Kindergrundsicherung nach dem Modell der Grünen, die mit Anne Spiegel auch die Familienministerin stellen. Die genaue Umsetzung der Pläne ist jedoch noch nicht bekannt und könnte hierbei noch für Änderungen sorgen. Klar ist aber dennoch: Die Ampel-Koalition schafft mehr finanzielle Anreize für Nachwuchs.
Ampel-Koalition: Das ändert sich beim Thema Steuern - bleibt der Soli für Top-Verdiener?
Beim Thema Steuern zeigen sich in der kommenden Regierung die Einflüsse der eigenen Parteien. Die FDP setzte hierbei ihre Wahlversprechen durch, keine Steuererhöhungen für alle Einkommensklassen zu beschließen. Die Liberalen mussten jedoch von den geforderten steuerlichen Entlastungen für Top-Verdiener abrücken. Ein entgegengesetztes Bild lässt sich bei SPD und Grünen feststellen, die zwar nach den ZEW-Berechnungen die Kluft zwischen Arm und Reich etwas verkleinern konnten, jedoch die stärkere Besteuerung von Top-Verdienern nicht umsetzten konnten.
Das könnte sich jedoch zum Teil noch ändern, wenn der Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt wird. Dann würde es doch zu erheblichen Erleichterungen für die obersten zehn Prozent der Topverdiener mit einem Jahreseinkommen bis zu 2 Millionen Euro kommen. Den Berechnungen des ZEW zu Folge, würde sich das jährliche Einkommen dadurch um 3,2 statt um 0,3 Prozent verbessern.
Ampel-Pläne verursachen moderate Haushaltskosten - 10 Milliarden Euro
Die Maßnahmen zeigen sich vor allem in der Kosten der Ampel-Maßnahmen für den Bundeshaushalt. Diese sollen sich den Berechnungen zu Folge auf 10 Milliarden Euro belaufen und damit vergleichsweise moderat ausfallen. Die Wahlkampfpläne der FDP hätten im Vergleich dazu ein Loch von über 80 Milliarden Euro in den Haushalt gerissen. Die Programme von SPD und Grünen hätten sogar mit einem Plus kalkuliert. (fd)