1. Startseite
  2. Wirtschaft

Hessens Bio-Bauern fordern: Neue EU-Richtlinie wieder abschaffen

Erstellt:

Von: Joshua Bär

Kommentare

Bio-Schweine dürfen seit diesem Jahr nur noch mit chemiefreiem Futter ernährt werden. Die dazu gehörenden genfreien Eiweißkomponenten kommen zum Großteil aus der Ukraine und werden allmählich rar.
Bio-Schweine dürfen seit diesem Jahr nur noch mit chemiefreiem Futter ernährt werden. Die dazu gehörenden genfreien Eiweißkomponenten kommen zum Großteil aus der Ukraine und werden allmählich rar. © dpa

Der Krieg in der Ukraine hat auch Folgen für Hessens Bio-Bauern. Denn weil das Land als bisher größter Lieferant für gentechnikfreie Eiweißkomponenten ausfällt, gehen mancherorts die Vorräte an ökologischem Futter für die Schweine- und Geflügelmast zur Neige.

Offenbach - Die Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen (VÖL) fordert daher, eine erst seit diesem Jahr geltende EU-Richtlinie, wonach das Tierfutter zu 100 Prozent aus chemiefreien Komponenten bestehen muss, wieder zurückzunehmen. „Das wäre ein nahe liegender Schritt“, sagt der Vorsitzende Tim Treis.

Damit Lebensmittel als Bio gelten, müssen Tiere spezielles Futter bekommen

Die Richtlinie sieht vor, dass Bio-Bäuerinnen und -Bauern ihren Tieren nur noch Nahrungsmittel verfüttern dürfen, die ohne chemisch-synthetische Pestizide oder Kunstdünger gewachsen sind. Zuvor war es den Landwirten noch erlaubt, fünf Prozent konventionelles Futter beizumischen – und das waren meist die Eiweißkomponenten. „Diese fünf Prozent waren aber nicht ad hoc verfügbar“, betont Treis. Denn in einigen Teilen Deutschlands kann das nun vorgeschriebene Eiweißfutter nicht angebaut werden. Zudem ist der Bio-Landbau bundesweit flächengebunden. „Es müsste also erst mal die entsprechende Fläche verfügbar sein“, betont Treis. Da die Lieferungen aus der Ukraine derzeit stocken, fehlen die Eiweißzusätze nun. Daher plädiert Treis dafür, wieder zur vorherigen Richtlinie zurückzukehren. „Damit wäre ein Großteil des Problems schon gelöst.“

Sorgen, dass einige Bauern aufgrund des fehlenden Öko-Futters nun wieder zu konventionellen Landwirten werden, hat der VÖL-Vorsitzende nicht. „Für so eine Entscheidung ist es noch zu früh“, meint er und fügt hinzu: „Außerdem wäre das nicht gut für das eigene Image.“ Treis ist sich daher sicher, dass Kunden auch in Zukunft nicht auf das Nahrungsmittel verzichten müssen. „Bio-Fleisch wird nicht ausgehen.“

Verband kündigt an: Bio-Lebensmittel werden teurer

Verbraucher müssen sich allerdings auf höhere Preise einstellen. Denn die steigenden Energiekosten machten sich auch bei den Landwirten bemerkbar. So sei der Preis für eine Tonne Futterweizen auf etwa 370 Euro gestiegen. In den Jahren zuvor habe dieser im Schnitt bei rund 330 Euro gelegen, erläutert Treis. „Für Eier-Produzenten bedeutet das etwa 50 Cent mehr pro Ei“, rechnet er vor. Schlage der Handel für eine 10er-Packung Bio-Eier etwa zwei Euro drauf, zahle der Kunde dann nicht mehr zum Beispiel 4,49 Euro pro Packung, sondern 6,49 Euro. „Bei Fleisch sehen wir eine ähnliche Entwicklung“, betont Treis. Es liege nun am Kunden sich zu fragen, „ob ihm das Produkt das wert ist“.

Höhere Kosten hat auch Klaus Ommert. Denn da der Bio-Bauer auf seinem Hofgut Patershausen in Heusenstamm neben Rindern auch Schweine hält, ist auch er auf Eiweißfutter angewiesen – in Form von Soja. Und dessen Preis steigt ebenfalls weiter an. Rund 815 Euro kostete eine Tonne genfreies Sojaschrot im März, rund 92 Euro mehr als im Vormonat.

Auswirkungen auf seinen Hof habe dies aber nicht, versichert Ommert. Ebenso wenig wie die aktuellen Lieferengpässe. Die habe er vorausgesehen. „Ich habe geahnt, dass es Probleme geben kann und mir schon einen Vorrat für das ganze Jahr angelegt.“ Seine Kunden erhalten also auch weiterhin frisches Bio-Fleisch in seinem Hofladen. (Von Joshua Bär)

Was ist ökologisches Futter

Landwirte, die ihre Produkte unter dem Bio-Siegel verkaufen möchten, müssen auch beim Tierfutter – wie Gräser, Erbsen oder Soja – auf verbindliche Vorgaben achten. Laut EU-Vorschriften muss das Futtermittel zu 100 Prozent aus ökologischem Anbau stammen und sollte überwiegend aus dem Betrieb, in dem die Tiere gehalten werden, oder aus Betrieben im selben Gebiet kommen. Futtermittel mit leistungssteigernden Zusätzen, rückstandsbildenden Medikamenten oder gentechnisch veränderten Bestandteilen sind in der ökologischen Tierhaltung verboten.  (jb)

Auch interessant

Kommentare